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Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V.djvu/10

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Thossfell.




In einer der anmuthigsten und fruchtbarsten Gegenden des Voigtlandes, zwei Stunden von Plauen und drei Stunden von Reichenbach entfernt, liegt unmittelbar an der diese beiden Städte verbindenden Chaussee das Rittergut Thosfell, dessen imposante, höchst geschmackvolle Gebäude einen ungemein vortheilhaften Anblick gewähren. Das Dorf, welches mit seinen freundlichen Häusern, umgeben von üppigen Wiesen und fruchtbaren Feldern, zu den angenehmsten Ortschaften des Kreises gehört, hat nach allen Seiten die erwünschtesten Verkehrsmittel durch treffliche Chauseen und Nebenwege, auch führt nach dem eine Stunde von Thossfell entlegenen Bahnhofe Herlasgrün eine vorzügliche Kunststrasse.

Was den Ursprung Thossfells anbetrifft, so wurde dasselbe ohne Zweifel von den Sorben gegründet, welche bis zum zehnten Jahrhundert den ganzen heutigen obersächsischen Kreis, Böhmen, Mähren, die Lausitz und Schlesien bewohnten, theils als tributäre, theils als von den Deutschen noch unabhängige Völkerschaften. Erst Heinrich der Vogelsteller, welcher als erster Kaiser sächsischen Stammes über Deutschland herrschte, vermochte die Sorben gänzlich zu unterjochen, nachdem zwei ihrer Hauptfestungen im Osterlande – Gruna und Geithain – von ihm zerstört worden waren. Dreihundert Jahre hatte der Kampf zwischen den Sorben und Deutschen gewährt, ehe das kühne Slavenvolk den stolzen Nacken unter das Joch der Christen beugte, und dass es jeden Fuss des heimathlichen Landes mit verzweifelter Hartnäckigkeit vertheidigte, beweist nicht nur die Jahrhunderte lange Dauer des Widerstandes, sondern es sprechen dafür auch noch heut zu Tage die von dem slavischen Worte „Dossany“ welches soviel als „Sieg“ bedeutet, sich herleitenden Benennungen voigtländischer Orte, wie die Dörfer Tossen, Tossfell, das Tösselholz bei Plauen und der Tossenwald bei Kauschwitz. Um das Jahr 930 sollen die Sorben zwischen den Städten Reichenbach und Lengefeld eine furchtbare Niederlage erlitten haben, und eine grosse Menge in dieser Gegend ausgegrabene uralte Waffen und Rüstungsstücken sprechen allerdings für die Wahrheit dieser Sage.

Durch die Unterdrückung der Sorben begann für das Voigtland in politischer wie religiöser Hinsicht eine ganz neue Epoche. Der Name der Sorben und des Sorbenlandes verschwand, und dagegen kam die Benennung des Voigtlandes auf. Man zwang die Unterjochten, ihre Religion und Sprache abzulegen und beide mit der ihrer Sieger zu vertauschen. Um möglichen Empörungen des kriegerischen Volkes vorzubeugen, entstanden eine grosse Anzahl fester Burgen, die man mit starken Garnisonen besetzte. Der deutsche Adel, durch dessen Hülfe Kaiser Heinrich die Sorben bezwungen hatte, empfing nunmehr von dem dankbaren Herrscher ziemliche Strecken des eroberten Landes in Lehn, und die unglücklichen Sorben mussten als Hörige oder Leibeigene den neuen Herren dienen und bei dem kärglichsten Unterhalte ihr Leben unter Demüthigungen und rauher Behandlung verbringen. Um jedoch die ihnen zugetheilten Hörigen im Zaume zu halten, erbauten die Edelleute neben den elenden Hütten ihrer Unterthanen feste mit Wall und Graben umschlossene Wohnsitze nach denen sie sich später nannten.

Unter diesen ältesten voigtländischen Adelsgeschlechtern befanden sich auch die Herren von Tosse, die höchst wahrscheinlich die erste Burg Thossfell erbauten. Im Jahre 1082 belehnte Heinrich der Fromme von Gliesberg dem Ritter Tosso mit Ronneburg; Eltel von Tosso erkaufte 1245 das Gut Schönberg von den Kindern des verstorbenen Ritters Alb von Schönberg für 300 Pfund Heller (1950 Gulden), und Arndt Tosse kommt 1302 in einer Schenkungsurkunde als Zeuge vor. Ritter Conrad Tosse

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/10&oldid=- (Version vom 17.10.2016)