Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V.djvu/50

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Das Rittergut Pöhl, ehemals in Ober- und Unter-Pöhl eingetheilt, ist seinem Flächenraume nach eines der grössten und nach der Lage und Güte seiner Fluren unstreitig eines der vorzüglichsten Güter des Voigtlandes. Die vortreffliche Lage seiner Felder erheben deren Erzeugnisse zu den gesuchtesten auf den Marktplätzen der nahen Städte. Vormals gehörten zum Rittergute der Eisenhammer, die Mühle, das Wirthshaus und die Schmiede, welche Etablissements früher verpachtet und später verkauft wurden.

Unter den Schicksalen, welche Pöhl betroffen, ist namentlich das durch den 30jährigen Krieg verursachte Elend hervorzuheben. Pöhl wurde bei einem in der Nähe stattgefundenen Treffen zwischen dem Oesterreichischen General von Salis und einer Schwedischen Heeresabtheilung gänzlich verwüstet. Im Jahre 1705 drang eine alte Bärin mit ihrem Jungen in das Dorf Hartmannsgrün, tödtete hier einen Knaben und nahm dann ihren Weg nach Pöhl, wo sie sammt dem jungen Bären mit Netzen umstellt und erlegt wurde. Ein grosses Oelgemälde, welches noch jetzt auf dem Schlosse zu Pöhl gezeigt wird, stellt die Jagd dar, auch befindet sich über dieses Ereigniss im Röderschen Familienarchiv ein besonderes Aktenstück. – Der Napoleonische Krieg brachte über Pöhl gleichfalls grosse Drangsale und namentlich das Jahr 1806 zeichnete sich durch mehrmalige Plünderungen, Erpressungen und Durchmärsche aus. Den alten 72jährigen Pfarrer Küttner banden die Franzosen an einen andern Mann und führten ihn mit sich fort, als aber der Greis vor Angst und Schrecken niedersank, plünderten sie ihn aus und liessen ihn hülflos liegen. Diesem Schrekenstage folgten mehrere ähnliche, welchen der alte Pfarrer, der Geheimerath von Röder und eine Anzahl Einwohner mit ihren Frauen und Kindern bald durch die Flucht bald durch Verbergen in den Schluchten und Klüften des nahen Eisenberges zu entgehen suchten.

In die Kirche zu Pöhl sind auch die Dörfer Möschwitz, Rodlera, Neundörfel und Jocketa eingepfarrt. Die Gründung dieser Kirche fällt in die Zeit wo die Ritter des Deutschen Ordens nach Errichtung einer Komthurei zu Plauen mit rastloser Thätigkeit sich bemühten den Sprengel ihrer Mutterkirche zu erweitern. Daraus entstand später das Patronatsrecht des Pfarrers und Superintenden zu Plauen über eine Anzahl Kirchen, worunter auch die zu Pöhl. Das Patronatsrecht über das Gotteshaus zu Pöhl erkaufte 1680 Christoph von Röder für 100 Thaler von dem Superintendenten M. Heiffel an sich, liess aber das Kapital auf dem Rittergute stehen und verinteressirte es mit 5 Procenten. Seine Nachfolger entrichteten diesen Collaturzins bis auf die neueste Zeit, sowie auch von Pöhl, Helmsgrün und Möschwitz noch jetzt das sogenannte Pfaffengetreide oder der Pfaffenzins in das Deutsche Haus zu Plauen abgeführt wird.

Die Kirche – im 30jährigen Kriege durch Kaiserliche Truppen sammt dem ganzen Dorfe eingeäschert – war erst 1654 wieder soweit ausgebaut, dass der Gottesdienst darin stattfinden konnte. Nach verschiedenen Reparaturen wurde endlich 1818 eine gründliche Hauptreparatur vorgenommen, durch welche das Gebäude eine recht freundliche Umgestaltung erfuhr. Die Kirche ist 30 Schritt lang und 15 breit, hat einen Thurm mit 3 Glocken und eine neue Orgel. An Legaten besitzt sie 52 Altschock 10 Groschen vom Pfarrer Mieser, 16 Thaler 20 Groschen vom Pfarrer Jahn zu Friesa, 200 Thaler von zwei Fräulein von Röder, 50 Thaler vom Schulmeister Schneider und 30 Thaler von der Wittwe Horlabeck. Die Schule, an der Vorderseite des Kirchhofs erbaut, ist die einzige der Parochie und zählt 200 Kinder, welche von einem Schullehrer und dessen Assistenten unterrichtet werden. Unter den Pfarrherrn zu Pöhl war auch ein armer alter Exul, „Johann Cimmermann der Elter aus Joachimsthal“ welchem der Superintendent Lothar zu Plauen 1624 die erledigte Pfarre zu Pöhl übergab. Der arme alte Exul, wie er sich selber nannte, gehörte zu den 30,000 Familien, welche Kaiser Ferdinand I. wegen ihres Glaubens aus Böhmen vertrieb.

Otto Moser, Redact.     




Druck von Storm & Koppe (A. Dennhardt) in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/50&oldid=- (Version vom 17.10.2016)