Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V.djvu/58

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um so wilder aber hausten hier die Schweden und Kaiserlichen im dreissigjährigen Kriege.

Die Kirche zu Jössnitz gründete höchst wahrscheinlich der deutsche Ritterorden. Bald nach seiner Entstehung (zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts) wusste sich der Orden im Voigtlande einzuschleichen und wurde von den Grafen von Eberstein, welche die immer mächtiger werdenden Voigte des Plauenschen Hauses zu fürchten begannen, freundlich aufgenommen, da sie von ihm Schutz und Unterstützung gegen die gefährlichen Nachbarn erwarteten. Die Deutschherren wussten durch List den Grafen von Eberstein zu Plauen dahin zu bringen, dass er ihnen die dasige Stadtkirche mit allen Donationen und Rechten überliess, mit welcher letzteren auch das Patronat über eine Anzahl Kirchen verbunden war, und so besass der Orden wenige Jahre nach seiner Ankunft Patronat und Lehen über die zum Theil erst von ihm gegründeten Kirchen zu Strassberg, Jössnitz, Oberlossa, Theuma mit Törpersdorf, Altensalz, Rodersdorf mit Tossen, Schwan, Dröda, Würschnitz, Planschwitz, Taltitz, Leubnitz, Kürbitz, Gailsdorf, Kloschwitz, Pohl und Roda. Nach dem Erwerb der Plauischen Kirche errichteten sie nun bei dieser eine Komthurei, von welcher noch der Komthurhof, die jetzige Wohnung des Superintendenten, seinen Namen hat, deren Bau jedoch erst im Jahre 1274 vollendet wurde. Wie zu Plauen gründeten die Deutschherren 1240 auch zu Schleiz eine Komthurei, ein Ordenshaus und die St. Georgs- oder heutige Stadtkirche, wodurch sie zugleich die Anlage der inneren Stadt Schleiz veranlassten. So kam der Orden zu immer grösserer Macht und hohem Ansehn.

Welche Schicksale die Kirche zu Jössnitz vor der Reformation erlitt ist unbekannt, doch kann sie kein bedeutender Unfall betroffen haben, da 1754 sie ein uraltes baufälliges Gotteshaus genannt wird, „klein und finster, die Fenster nach uralter Art sehr klein und enge und am Altar nur zwei runde Scheiben weit, das Dach mit Schindeln gedeckt und der Thurm mitten auf dem Dache sitzend“. Im Jahre 1755 wurde dieselbe gänzlich umgebaut und zeichnet sich nunmehr durch Freundlichkeit und Geräumigkeit vor vielen nahen Dorfkirchen aus. Der Taufstein ist ein Geschenk des Junkers von Watzdorf vom Jahre 1604. Auf dem Kirchboden entdeckte man 1837 ein altes Gemälde, den Kampf des Ritters Georg mit dem Lindwurme darstellend, welches seit langer Zeit mit Staub und Schmutz überzogen unbemerkt in einem Winkel gelegen hatte. Da das Bild von Werth zu sein schien brachte man es zu näherer Untersuchung nach Plauen und später nach Dresden, wo der Kunstverein es sofort als einen trefflichen Lucas Cranach erkannte. Nach geschehener Restauration soll das Gemälde dem Alterthumsvereine zu Dresden überlassen worden sein um es der im Palais des grossen Gartens aufgestellten Sammlung beizufügen.

Wie dieses merkwürdige Bild in die Kirche zu Jössnitz kam ist unbekannt, auf jeden Fall irren aber diejenigen, welche glauben, dass es aus der alten Liekirche hierhergekommen sei, denn diese lag zu Cranachs Zeit bereits in Ruinen. Diese Liekirche stand nämlich in einiger Entfernung von Jössnitz auf einer jetzt mit Holz bewachsenen weit über das Voigtland und Erzgebirge hinschauenden Anhöhe und war ein Gestift der Herren von Tettau. Die Volksage erzählt, dass einst auf dieser Höhe ein Lindwurm hauste, der täglich einen Menschen aus dem zunächst liegenden Orte zum Frasse verlangte, bis ein Jüngling aus Syrau, dessen Braut zum nächsten Frühstück des Ungeheuers dienen sollte, mit dem Muthe der Verzweiflung den gefrässigen Wurm in seinem Schlupfwinkel aufsuchte und mit Hülfe Gottes und des heiligen Georgs glücklich erlegte. Aus Dankbarkeit erbaute das Brautpaar auf der Höhe, wo der Wurm gehaust hatte, die Lindwurmkapelle, welche man später Liekirche nannte. Eine andere begründetere Sage ist, dass man in dem alten zusammengestürzten Gemäuer zu Ende des sechszehnten oder vielleicht auch zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts eine kleine Glocke ausgrub, welche jetzt als vierte Glocke auf dem Kirchthurme zu Syrau hängt und in Mönchsschrift die Worte enthält: „Hilf her got uns aus Not.“ Die Anhöhe, wo das Kirchlein stand, heisst noch jetzt die Liekirche, welcher Name ohne Zweifel aus „Unserer lieben Frauen Kirche“ entstanden ist.

Prediger und Pastor in Jössnitz ist der jedesmalige erste Lauddiakonus in Plauen, welcher deshalb auch nicht in Jössnitz sondern in Plauen wohnt. Für sein Fortkommen nach Jössnitz, welches eine starke Stunde nördlich von Plauen an dem Communikationswege nach Elsterberg liegt, und überhaupt für seine amtlichen Wege ausserhalb Plauens, muss der Rath dieser Stadt, als Verwalter der Deutschherrenstiftung, dem Diakonus ein Pferd halten, welches urkundlich „ein leidlicher Reitklepper“ sein muss. Das Patronat über die Kirche zu Jössnitz steht dem ersten Pfarrer zu Plauen als Nachfolger der ehemaligen Komthure des Deutschherrenordens zu. Eingepfarrt sind in dieselbe ausser Jössnitz auch das Dorf Röttis, die Bartmühle und das Lochhaus.

Jössnitz hat gegen vierhundert Einwohner, darunter sind dreiunddreissig begüterte Personen und neun Häusler. Unter jenen sind acht, welche eine ganze Hufe, vier, welche eine halbe Hufe, sechs, welche eine Achtelhufe besitzen und elf sogenannte Kuhhäusler, das heisst, solche Grundbesitzer, welche wegen ihres geringen Areals nur einige Kühe halten können und kein Gemeinderecht haben. Einem Bauerhofe zu Jössnitz lag bis zur Zerstörung des Ebersteinischen Schlosses in Plauen durch die Hussiten (1430) die Verpflichtung ob in die Capelle desselben alljährlich ein Pfund Wachs zu Kerzen auf den Altar zu zinsen, und nach einem aus dem Jahre 1503 noch vorhandenen Register der Balley Thüringen, unter welcher die hiesigen Deutschordensbesitzungen standen, gehörten zu den reichen Gütern des Ordens auch fünf Bauerhöfe in Jössnitz. – Die Zahl der Kinder, welche die Schule zu Jössnitz besuchen, beläuft sich auf etwa achtzig.

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Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/58&oldid=- (Version vom 17.10.2016)