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Exners Pfeilerstärke heißt es: „Betrachte ich andere Kirchen, so jemals gebaut, so finde dergleichen außerordentlich große Pfeiler in Proportion gar nicht.“ Zum Beweis habe er die Kirche in Versailles im gleichen Maßstab wie die Krenzkirche gezeichnet. „Diese hat der berühmte Mansart gebaut, wovon ich etwas zu meiner Intension der Kreuzkirche (und nicht, wie vorgegeben wird, von der kurfürstlichen Hofkapelle) genommen. Obgleich diese Kirche nicht so groß wie die Kreuzkirche, so kann man darin die Proportion abnehmen.“ Weiter gibt er folgende Querschnittsgrößen der Pfeiler an:

Exnersche Kreuzkirche       43 Quadratellen,            Hofkapelle       19 Quadratellen,
Schmidtsche -       16 1/2 Quad-atellen,            Neustädter Kirche       3 Quad-atellen,
Frauenkirche       14 Quad-atellen,            Alte Kreuzkirche       3 Quad-atellen.

Drei Pfeiler der Frauenkirche seien noch nicht so stark als ein Exnerscher und ein solcher sei um die Hälfte stärker als alle 10 Pfeiler der alten Kreuzkirche zusammengenommen. „Die Exnerschen Pfeiler nehmen den Zuhörern die Aussicht auf Kanzel und Altar, das Gehör des Predigers und das Licht.“ „Exners große Kirche kann kaum so viel Personen fassen, als eine um die Hälfte kleinere Kirche.“ Sie enthalte über 1000 Sitze weniger als die Schmidtsche und dabei könne man von über 1000 Sitzen aus weder sehen noch hören. Durch detaillierte Zahlenvergleiche und beigegebene Grundrisse mit Angabe der schlechten Plätze begründete Schmidt seine Vorwürfe. „Ist es möglich gewesen, in die neue Annenkirche als eine weit um die Hälfte kleinere Kirche 1683 Sitze ohne Anhängebänkchen und Betstuben anzulegen, so ist es auch möglich in diese große Kirche viel mehr Sitze und Betstuben einzubringen.“ Gegen die Zusammenrückung der Orgelpfeiler, die im Grundriß eine elliptische statt der Halbkreisform des Saalabschlusses zur Folge hat, heißt es: „Der gedrückte Zirkel gibt ein schlechtes Ansehen. Auch ist es wider die Regel der Baukunst, etwas Irreguläres ohne Not zu bauen.“ Schließ­lich sollten die Säulen der Exnerschen Attique nicht in die Wage der Umfassungsoberkante ansetzen, sondern (der Überschneidung wegen) höher, wie bei der Hofkirche.

Fast ein Vierteljahr verging, ehe Schmidts Eingabe vom Rat mit Bericht dem Instanzenzug übergeben wurde. Im April 1769 erfolgte ein weiteres Ratsschreiben, in dem die Zurückziehung der Hofgewerken dringend erbeten wurde, zumal es schon zu Tätlichkeiten zwischen einem Hofpolier und einem Bürger gekommen sei. Auch wolle der Rat seinem Baumeister Schmidt, weil er ein Zimmer­meister sei, den Ratskondukteur und Maurermeister Eigenwillig zur Hilfe und Mitwirkung bei der Direktion beigeben.

Ferber erstattete seinem jungen Fürsten eingehenden Bericht mit einer Vorgeschichte des bis­herigen Ganges der Streitfrage. Schmidt habe viel in den alten Turm verbaut, der trotz (angeblicher), wenige Tage vorher gegebener gegenteiliger Versicherung Schmidts doch eingefallen sei. Schmidts Risse seien von der Oberbaukommission mehrfach als erheblich fehlerhaft erkannt, auch seine Pfeiler als zu schwach befunden worden. Der Rat habe sein Werk schlecht überdacht, sonst hätte er nur ein kleines simples Gebäude errichtet. Da er aber die Schönheit desselben angestrebt habe, sei es wider­sinnig, Exners Projekt, das nur 9000 Taler mehr koste als zu kostbar hinzustellen. Durch das Ein­greifen der Regierung sei das Jus patronatus nicht verletzt. Daß die Risse zur Approbation eingereicht wurden, zeige, daß dieselben auch gemißbilligt werden könnten. Die kirchliche Oberaufsicht sei ohne Effekt, wenn sie nicht das Recht involviere, die Art, wie ein Kirchenbau zu führen ist, bei befundener Notdurft vorzuschreiben. Trotzdem sei ratsam, Nachsicht eintreten zu lassen und auf dem Recht nicht zu bestehen. Weitläufigkeiten würden die Folge sein. Das Publikum werde nicht dem Rat, sondern der Regierung die Schuld zuschreiben. Das Staatsinteresse sei nicht in Frage hierbei, es sei daher nicht der Mühe wert, das schlecht informierte Publikum irre werden zu lassen.[1] Der Kurfürst möge weder auf Genehmigung noch Verwerfung der Schmidtschen Risse eingehen, was weitere Untersuchung erfordere, sondern dem Rate aus Gnaden erlauben, den Bau nach seinem Gefallen zu bauen und ihm die Schmidtschen Risse ausfertigen. „Hierdurch würde Eure Kgl. Hoheit von allen weiteren Behelli­gungen in dieser aus mancherlei Rücksichten so verdrießlichen als an sich unwichtigen Sache überhoben werden können.“


  1. Aus ähnlichen Motiven hatte Wackerbarth den Bau der Frauenkirche nach Bährs Plänen freigegeben.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/104&oldid=- (Version vom 17.4.2024)