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Engelsfiguren, Tuchgehängen und Girlanden. Über den Säulen stehen Figuren von 4,5 m Höhe unter einem horizontalen Gurt, der am Gewölbe und den Kappen hinläuft. Eine vertikale Gliederung ist nicht vorgesehen.

Daß Exners Absichten dem protestantischen Bauzweck entgegen waren, hatte den Rat, noch bevor er die Pläne erhalten konnte, zum Protest gezwungen. Weiter war die Raumwirkung eine ganz andere geworden. Während sie bei Schmidt hallenartig ist mit einer Steigerung im Mittelschiff, kann man den Exnerschen Raum als geschlossenen Saal mit Logen bezeichnen. Deren Breite ist nur doppelt so groß wie die Pfeilerstirn (bei Schmidt dagegen sechsfach so groß). Die hohe Glaswand der Bet­stuben im Blickfeld der Parterrebesucher ist weder wohltuend fürs Auge, noch akustisch günstig. Die Hochstellung der Säulen hatte Sinn bei der katholischen Hofkirche und in Versailles, nicht aber hier. Von Chiaveris Bau ist Raumbildung und Saalarchitektur Exners angeregt, nur steigerte dieser den Maßstab, um sein klassizistisches Schema anwenden zu können. Seine Säule hat mit Fuß und Kapitäl 15,50 m Höhe, fast 10 fache Menschengröße, gegen 10 m bei Chiaveri und 9,50 m bei Schmidt. Auch unterließ es Exner, die riesigen absoluten Maße durch eine reichere Detaillierung in normaler Größe zur Geltung zu bringen und dem Auge faßbar zu machen. Es fehlte ihm das Verständnis dafür, daß man ein Schema nicht beliebig vergrößern oder verkleinern kann. Ausgeführt würde sein Raum von einer erschreckenden Öde und Leerheit sein.

Auch bei seiner Saalarchitektur war Exner völlig unfrei. Nach seinem Dogma sollte das Gebälk nicht unterbrochen sein, es mußte ungestückelt an der Saalwand umlaufen. Der Arkaden wegen durfte es nicht zu hoch, des Postaments wegen nicht zu niedrig werden. Damit war die weitere Gliederung festgelegt und nur noch Sache der Berechnung. Es konnte sich bloß eine Lösung ergeben. Der Klassi­zismus Exners war jedes künstlerischen Empfindens bar. Er kam nicht über das Herstellen gesetz­mäßiger, geometrischer Zeichnungen hinaus. Statt zur Gestaltung der Massen führte seine Art im besten Falle zur Dekoration von Flächen, freilich ohne Erfahrung und Rücksicht auf Wirkung. So war ein befriedigendes Resultat höchstens bei völliger Unabhängigkeit zu erreichen, nicht aber bei An­passung an einen fertigen Plan, zumal für einen protestantischen Kirchenraum mit ausgesprochener Zweckerfüllung.

Exners Mansarde und ihre Umbildung.

Mit Rücksicht auf den Ratswiderstand gegen stärkere Pfeiler hatte Exner als Tektur auf die Seitenfassade ein Mansarddach gezeichnet. Das Gebäude erhalte dadurch ein verstümmeltes Aussehen. Wie das Innere zu verbessern und zu gestalten sei, darüber legte er auch später keine Pläne vor. Den verschiedenen Wünschen auf Beibehaltung der Schmidtschen Pfeiler gegenüber war er hilflos. Er konnte von seinem „Profil“ nicht loskommen. Auch nicht den Versuch einer Umbildung unternahm er. Schon eine geringe Verschmälerung seiner Pfeiler raubte den mächtigen Säulen die genügende Rücklage. Darum konnte auch eine bloße Verstärkung der Schmidtschen nur ein Drittel so starken Pfeiler ihm nicht genügen. Durch Exners Mansarde blieb Schmidts Innenraum voll erhalten. Nur die oberen Fenster im Schiff und ihre Kappen wurden etwas schmäler. Der Turm und die Attique über den Treppenhäusern wurde nicht geändert. Das neue Dach lief sich hinter ihr tot. Warum auch eine schwächere Attique ohne Gewölbe für Schmidts Pfeiler zu schwer sei, wurde nicht begründet. Ferber schlug vor, das schlichte Ansehen der Dachfenster durch ein Mezzanine zu beheben. Unter Mezzanine ist ein niedriges Geschoß, ähnlich wie in Lockes Plan, zu verstehen. Exner legte auch hierzu keine Zeichnung vor, sondern erklärte nur, daß der Gedanke undurchführbar sei „wegen verschiedener Bedenklichkeiten wegen Schönheit und Festigkeit“. So war immer nur zwischen zwei Möglichkeiten, Exners Attique und seinen „schönen Profils“ einerseits und den Schmidtschen Pfeilern mit der Mansarde anderseits, zu wählen. Prinz Xaver entschied sich fürs erste, Kurfürst Friedrich August dann fürs zweite.

Als Eigenwillig den Gedanken der Attique wieder aufnehmen wollte, griff Exner noch einmal in die Plangestaltung der Kreuzkirche ein. Er wandte sich gegen die Attique und führte dabei an (Abb. S. 132), daß weder sie, noch die Mansarde vom Trottoir der umliegenden Gebäude aus

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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/139&oldid=- (Version vom 25.4.2024)