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Lichtes es dem Maler schwer würde, Licht und Schatten an den rechten Ort zu bringen“. Nicht etwa aus unseren heutigen stilistischen Gründen heraus erfolgte eine Ablehnung. Die Dresdner Fassadenmalerei der Zeit betrachtete es als selbstverständlich, plastische Formen nachzuahmen. Sie stand unter dem Einfluß des Stuckstils. Mit dem Beginn der Barocks hatten die Stukkierer in Dresden ihren Einzug gehalten. In naturalistischer Form hatten sie beim Palais im Großen Garten ihre Tätigkeit begonnen. Mit den Porzellanmodelleuren und den Rahmenmachern hatten sie die charakte­ristischen Formen des Rokokostils geschaffen. Allen Architekten des 18. Jahrhunderts hatten sie gedient, einem Pöppelmann und Bähr, einem Longuelune und seinen Schülern, zuletzt auch dem Akademie­geschmack. Aber mit der verminderten Nachfrage schwand die Fertigkeit dieser Gewerken. Die Orna­mente der Kreuzkirche wurden sehr plump und schematisch ausgeführt. Der Mangel an Geld in Dresden ließ die billigere Malerei in den Vorder­grund treten.

Lageplan der Kreuzkirche. Maßstab 1 : 2000.

Hölzers Kreuzkirche, wie sein Turm, so auch der Innenraum, ist wohl das beste Werk der damaligen Dresdner Akademierichtung. Unter dem Einfluß verwässerter Theorien im Munde des Kabinettssekretärs und unter dem Einfluß des Geldmangels ging bei der Ausführung viel von der beabsichtigten Wirkung verloren. Das Deckengemälde fiel ganz weg. Die Betstubenfassaden wurden noch mehr vereinfacht. Die Pläne (Abb. S. 137) zeigen eine Großartigkeit der Auffassung, die an der Antike studiert ist. Hölzer konnte eine rühmliche Ausnahme machen unter denen, die jene Epoche des Dresdner Klassizismus mit Recht in Mißkredit brachten. Denn er war eine schöpferische Künstler­persönlichkeit mit reichem selbständigen Formen­empfinden. Was ihm fehlte, war nur die genügende praktische Betätigung seines Könnens. Nur das immer erneute Erleben der Phantasiegebilde kann den Meister der Baukunst zur Höhe führen, kann die Raumanschauung ausbilden und das Eintreten der beabsichtigten Wirkung sichern. Diese Schule künstlerischer Praxis fehlte allen Architekten, die aus der damaligen Akademie hervorgingen, sie hinderte vor allem Hölzer, zu der Bedeutung innerhalb der deutschen Baugeschichte aufzusteigen, zu der er befähigt war.


5. Die Umgestaltung im 19. Jahrhundert.

Gutachten von Lipsius und Wallot.

Nur eine kurze Lebensdauer war dem Schmidt-Hölzerschen Bau beschieden. Als die Jahr­hundertfeier seiner Einweihung nahte, traf der Kirchenvorstand Vorbereitungen zu einer gründlichen Umgestaltung[1] des Innern, zu einer Beseitigung der Mängel des Baues, die immer fühlbarer wurden. Auch jetzt wandte man sich an den Professor für Baukunst an der Akademie, Lipsius, mit der Frage, „was zur würdigen Instandsetzung des Innern der Kreuzkirche und zur möglichsten Abhilfe seiner Mängel geschehen könne“. In einem Gutachten vom 25. Dezember 1891 und fünf Blatt Zeichnungen legte er seine Ansichten dar.


  1. Kleinere Änderungen am Bau waren die Einrichtung einer Zentralluftheizung (1863), dann Renovation des Innern, Auffrischen des Altarbildes, Herstellung einer Gasbeleuchtung (1872) und Erneuerung des Kupferdaches (1873). Vergl. Die Bauten von Dresden. 1878. S. 131.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/148&oldid=- (Version vom 29.4.2024)