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Kunstverständige der älteren Zeit wendeten sich offen dagegen. So schrieb der ehemalige Direktor der Kunstgalerien[1], „daß diejenigen vollkommen recht haben, welche behaupten, daß diese jetzt herrschende Mode vieles beiträgt, den guten Geschmack, der ehedem in den Künsten geherrscht, völlig zu verdrängen. Gelehrsamkeit und Kenntnis der Kunst haben keine notwendige Verbindung. Ein Urteil, welches ein bloßer Gelehrter in Kunstsachen fällt, ist nicht eher anzunehmen, bis man überzeugt worden ist, daß er auch ein Kenner ist. Vertrauen zu ihm wird man haben können, wenn man bei jenem schöne auserlesene Kunstsachen findet. Wahre Kenner schätzen jeden Künstler nach seiner eigenen Manier und nach der Schule, worin er sich gebildet hat, jeden nach seinem Verdienst unter den Seinigen.“ Ein wesentliches Korrigenz engherziger Kunstanschauung war durch die Verarmung des Landes weggefallen, „die Reisen der Wohlhabenden in früheren Zeiten, da es unter die feine Lebensart ge­hörte, die glänzendsten Höfe gesehen zu haben“ (Hasche). Dagegen harmonierte die Hohlheit in der Kunstanschauung mit dem kulturgeschichtlichen Bilde des damaligen Dresdens[2], „dem Vaterland des chapeau bas, da vom geringsten Kanzelisten bis zum Minister, vom Kadett bis zum General jeder mit dem Hut unterm Arm und dem Degen auf der Straße wie in der Gesellschaft sich zeigte, der Fremde moquiert sich über den gesellschaftlichen Ton der Zeit, der steif und auf höchste Feinheit kalku­liert ist. Jedes Kompliment, jedes Wort wird auf die Goldwage gelegt. Dieses gedrechselte ekelhafte Zeremoniell hat die tötlichste Langeweile, selbst in Mittelklassen, die sonst nicht geniert sind, zur Folge.“

Die Berufung des Krubsacius geschah kurz nach dem siebenjährigen Kriege. Für Sachsen be­deutete dieser einen gewaltigen Wendepunkt in jeder Hinsicht. Der Sieg Preußens und der Verlust Polens brachte Sachsen endgültig um die norddeutsche Vormachtstellung. Dresdens Bedeutung in Deutschland sank, der politische Horizont ward enger, die Rückwirkung auf das geistige Leben konnte nicht ausbleiben. Die völlig zerrüttete Staatswirtschaft erforderte gründliche Reformen. Auch die Kunst wurde in das wirtschaftliche Programm mit eingezogen. Ein völliger Wechsel in den führenden Persönlichkeiten machte den Umschwung zu einem plötzlichen und dauernden, auch auf dem Gebiete der Kunst.

In dem Gründer und ersten Direktor der Akademie Christian Ludwig von Hagedorn, dem Bruder des Dichters, lernen wir den Mann kennen, der für Dresden und Sachsen der neuen Richtung die Bahn öffnete und ihr zur allgemeinen Herrschaft und Anerkennung verhalf. Als Sohn eines dänischen Staatsrates 1713 in Hamburg geboren, studierte auch er zunächst Jura in Halle und Jena und wendete sich der diplomatischen Laufbahn zu. Früh kam er durch seine kunstsinnige Mutter mit den bildenden Künsten in Berührung. Er versuchte sich in der Radierkunst und gehörte dem für die Antike begeisterten Bühnauschen Kreis um Winckelmann in Nöthnitz an, wie aus einem Bild in der Königl. Bibliothek hervorgeht. Später machte er sich als Kunstschriftsteller und Kritiker bekannt.

Hagedorns erstes Hervortreten in Dresden lag auf wirtschaftlichem Gebiete. Er gehörte als Mitglied der Kommission zur Wiederaufhelfung Dresdens nach dessen Beschießung an, da er schon nach den Bränden von 1757 und 1758 die Hamburger Kollekten mit sehr viel Geschick verteilt hatte. Eine längere Abhandlung von ihm über die Verteilung von dergleichen Geldern in abgebrannten Städten ist noch erhalten (Hauptstaatsarchiv loc.  576). Sofort nach Brühls Entlassung im Oktober 1763 wurde er Galeriedirektor, nachdem der erste „Anschlag“, ihn an diese Stelle zu bringen, miß­lungen war. Vermutlich war hierbei die Kurfürstin Maria Antonia Gönnerin und treibende Kraft.[3]

Ende 1763 setzte Hagedorn die Gründung der Akademie[4] nach eigenem Plane durch, zum


  1. Heinecke, Neue Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen, 1786.
  2. Kleine Wanderungen durch Deutschland. Berlin l786.
  3. Heinicke, sein Vorgänger, war vom König in die Stellung berufen worden, „da der Oberkämmerer Brühl keine Zeit hatte, ingleichen wegen dessen sattsam ermangelnden Kenntnis in Kunstsachen“. Er sollte bereits früher durch Winckelmann ersetzt werden, für den sein Übertritt in Hofkreisen Stimmung gemacht hatte. Brühls Einfluß hinderte es. Als Privatsekretär Brühls wurde er mit in dessen Fall verwickelt und unter dem Verdacht, Kunstwerke unter­schlagen zu haben, verhaftet. Doch stellte sich seine Unschuld heraus. Näheres über ihn im Neuen Archiv für Sächs. Gesch., 1904, 3. und 4. Heft.
  4. Die ältere, bisweilen als „Akademie“ bezeichnete Dresdner Kunstschule war eine privilegierte Privatlehranstalt für Malen und Zeichnen. Sie stand unter ausländischen Lehrern.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/80&oldid=- (Version vom 5.4.2024)