Gleichgewichte aufhielten. Eben dieselbe Ursache also, die bey der völligen Ausbildung eines Himmelskörpers seine Oberfläche aus dem waagerechten Zustande in abgebrochene Ungleichheiten versetzte; diese allgemeine Ursache, die bey allen Himmelskörpern, welche das Fernglas deutlich genug entdecken kan, wahrgenommen wird, hat sie in die Nothwendigkeit versetzet, die ursprüngliche Stellung ihrer Achse etwas zu verändern. Allein diese Veränderung hat ihre Grenzen, um nicht gar zu weit auszuschweifen. Die Ungleichheiten erzeugen sich, wie schon erwehnt, mehr neben dem Aeqvator einer umdrehenden Himmelskugel, als weit von demselben; zu den Polen hin verlieren sie sich fast gar, wovon die Ursachen anzuführen, ich andere Gelegenheit vorbehalte. Daher werden die am meisten über die gleiche Fläche hervorragende Massen nahe bey dem Aequinoctialzirkel anzutreffen seyn, und indem dieselbe, durch den Vorzug des Schwunges, diesem sich zu nähern streben, werden sie höchstens nur um einige Grade die Achse des Himmelskörpers, aus der senkrechten Stellung von der Fläche seiner Bahn, erheben können. Diesem zu Folge wird ein Himmelskörper, der sich noch nicht völlig ausgebildet hat, diese rechtwinklichte Lage der Achse zu seinem Laufkreise noch an sich haben, die er vielleicht nur in der Folge langer Jahrhunderte ändern wird. Jupiter scheinet noch in diesem Zustande zu seyn. Der Vorzug seiner Masse und Grösse, die Leichtigkeit seines Stoffes, haben ihn genöthiget, den festen Ruhestand seiner Materien einige Jahrhunderte
Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Johann Friederich Petersen, Königsberg und Leipzig 1755, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Naturgeschichte_und_Theorie_des_Himmels.djvu/135&oldid=- (Version vom 31.7.2018)