Kan man nicht glauben, die Natur, welche vermögend war sich aus dem Choas in eine regelmäßige Ordnung und in ein geschicktes System zu setzen, sey ebenfalls im Stande, aus dem neuen Choas, darinn sie die Verminderung ihrer Bewegungen versenket hat, sich wiederum eben so leicht herzustellen, und die erste Verbindung zu erneuren? Können die Federn, welche den Stoff der zerstreuten Materie in Bewegung und Ordnung brachten, nachdem sie der Stillstand der Maschine zur Ruhe gebracht hat, durch erweiterte Kräfte nicht wiederum in Wirksamkeit gesetzt werden, und sich nach eben denselben allgemeinen Regeln zur Uebereinstimmung einschränken, wodurch die ursprüngliche Bildung zuwege gebracht worden ist? Man wird nicht lange Bedenken tragen, dieses zuzugeben, wenn man erweget, daß, nachdem die endliche Mattigkeit der Umlaufs-Bewegungen in dem Weltgebäude die Planeten und Cometen insgesammt auf die Sonne niedergestürzt hat, dieser ihre Glut einen unermeßlichen Zuwachs durch die Vermischung so vieler und grosser Klumpen bekommen muß, vornemlich da die entfernete Kugeln des Sonnensystems, unserer vorher erwiesenen Theorie zufolge, den leichtesten und im Feuer wirksamsten Stoff der ganzen Natur, in sich enthalten. Dieses durch neue Nahrung und die flüchtigste Materie in die größte Heftigkeit versetzte Feuer, wird ohne Zweifel nicht allein alles wiederum in die kleinsten Elemente auflösen, sondern auch dieselbe in dieser Art, mit einer der Hitze gemässen Ausdehnungskraft,
Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Johann Friederich Petersen, Königsberg und Leipzig 1755, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Allgemeine_Naturgeschichte_und_Theorie_des_Himmels.djvu/188&oldid=- (Version vom 31.7.2018)