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kapitalistischen Interessen herabsinken. Diese Entwicklung hat ihren Höhepunkt in den Kriegsanleihen erreicht, denen wir in allen Ländern begegnen, die ausschließlich, wie wir erkannt haben, nur mammonistischen Interessen dienen, und denen nunmehr durch das riesenhafte Kreditgebäude einer Weltanleihe die Krone aufgesetzt werden soll.

Diese kurzen Rückblicke mögen es uns erleichtern, daß wir endgültig mit der Vorstellung brechen, es müsse dem Leihkapital die überirdische Macht verliehen sein, ewig und unaufhaltbar aus sich selbst heraus zu wachsen. Mit einer fürchterlichen aussaugenden Kraft begabt. Wir müssen damit brechen, daß das Leihkapital unerreichbar dem Weltgeschehen und Vergehen soll tronen können über den Wolken, unerreichbar der Vergänglichkeit, unerreichbar den Gewalten der Zerstörung, unerreichbar den Geschossen unserer Riesengeschütze. Das Leihkapital ist die Geißel der Menschheit. Denn mögen auch Häuser und Hütten, Eisenbahnen und Brücken von Granaten zerschmettert in Staub und Asche sinken, die Hypotheken bleiben bestehen, die Eisenbahn- und Staatsschuldverschreibungen werden dadurch nicht ausgetilgt. Mögen Dörfer und Städte, ganze Provinzen der wahnsinnigen Zerstörung des Krieges zum Opfer fallen, was verschlägt es, neue Schuldverschreibungen bedeutet dies. Mit gierfunkelnden Augen sieht die über den Wolken tronende goldene Internationale dem tollen Treiben der Menschheit zu. Und nicht fern ist die Zeit, bis schließlich restlos die ganze Menschheit als Zinsklaven dem Mammonismus dient. …

International ist der Gedanke; die ganze Welt muß er befreien. Heil der Nation, die zuerst den kühnen Schritt wagt. Bald werden alle anderen folgen. Die oft an mich herangetretene Frage, ob der Gedanke überhaupt national durchführbar sei, beantworte ich mit — ja. — Wir sind intern verschuldet. Gegen ausländische Zinsansprüche sind wir natürlich zur Zeit machtlos; die müssen eben bezahlt werden. Übermäßiger Kapitalabfluß muß nach Möglichkeit gesperrt werden, aber, so wenig sich der Gesetzgeber davon abhält, Gesetze gegen Mord, Totschlag, Betrug etc. auszuarbeiten, weil es doch immer wieder Lumpen gäbe, so wenig darf sich ein Volk in seiner Gesamtheit davon abhalten lassen, einen als notwendig erkannten Schritt zur Gesundung seiner Staatsfinanzen zu tun, nur deshalb, weil nicht gerade die besten Teile des Volkes ihr errafftes Geld im Auslande in Sicherheit zu bringen versuchen. Die Brechung der Zinsknechtschaft ist trotz ihrer Internationalität national möglich. — Gesetzt den Fall, es würden Hunderte, ja Tausende von Millionen Kriegsanleihestücke ins Ausland verbracht werden, so würde selbst dies noch kein einschneidendes Moment

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/37&oldid=- (Version vom 29.10.2017)