DEs Jovis Tochter-recht / Minerven Schwesterschaft
Gab mir der Parcen Glück / bald als ich ward gebohren:
Mich hatte Grichenland vor andern auserkohren /
Ich gab der Siebenzahl der Weisen rechte Kraft.
Mein scharffer Sinn bezwang hochsteigend und sieghaft
Der Musen festes Schlos mit angesprengten Thoren /
Nun hab’ ich ihnen mich zur Freundin gantz verschworen /
So sehr vertieffet sich mein Geist im Nectar-Saft.
Wer wil das schöne Haus der schönen Seelen richten /
Kein Lob darf Mantua noch Sulmo mir ertichten;
Der Alabaster ziert das zarte Kunst-Gebäu:
Praxiteles erschrickt / Parrhasius erbleichet /
Weil sich den Lilien mein weisser Marmel gleichet.
So ist mein Seelen-Schlos noch allen Künstlern neu.
ZOrn / Hader / Schelten / Zancken /
Ist mein gewöhnlich Spiel /
Ich trau mir selber viel /
Wird aber jemand dancken
Dem tollen Unverstand?
Es fühlet meine Hand
Das gantze Haus-Gesinde /
Red’ ich fast nur gelinde /
Leuft Socrates geschwinde /
Und lesst mir Land und Sand.
Anton Ulrich: Ballet Des Tages. Wolfenbüttel 1659, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anton_Ulrich_Ballet26.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)