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nicht in dem Entlehnen bestimmter Stoffe und individueller Gestalten aus der antiken Mythologie und Geschichte, auch nicht in einer Reproduktion der alten Formensprache, sondern in großen Vorstellungen von Natur und Mensch, welche sein Gefühl auf das Erhabene stimmten. Zu ihnen gehörten neben den landschaftlichen die ewig lebendigen Naturpersonifikationen allgemeiner Art: die wildfreudigen Mischgestalten, die auf hoher Meeresflut und in kalter Bergesöde daheim, die zarten Geister von Busch und Hain; Alles, was namenlos und ranglos das freischweifende Leben dem Sitz auf goldenen Thronen und dem Herrschen durch Arbeit und Taten vorgezogen hat, da es die Tat nur im Leben selbst findet: Kentauren, Faune, Tritone, Nereiden, Nymphen, aber auch eine leicht wandelnde, nur von durchsichtigen Schleiern umflossene städtefremde Menschenart, ein Priestertum der Natur, drängte sich vor sein inneres Gesicht und machte sich heimisch in dem Landschaftsreiche seiner Phantasie.

Schauend lauschte er dem Zauber des Peneios:

Rege dich, du Schilfgeflüster,
Hauche leise, Rohrgeschwister,
Säuselt, leichte Weidensträuche,
Lispelt, Pappelzitterzweige,
Unterbrochnen Träumen zu!

und seine Antwort klang:

Ich wache ja! O laßt sie walten,
Die unvergleichlichen Gestalten,
Wie sie dorthin mein Auge schickt.
So wunderbar bin ich durchdrungen!
Sind's Träume? Sind's Erinnerungen?

Empfohlene Zitierweise:
Henry Thode: Arnold Böcklin (Gedenkworte). Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1905, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arnold_B%C3%B6cklin.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)