begreift ein Bereich von Vorstellungen in sich, deren Gewalt sich Niemand auf die Dauer hat entziehen können. Nun, da das Auge des Meisters sich geschlossen, da die seit Jahren zitternde und immer doch schaffenskräftige Hand den Pinsel nicht mehr führt, verlangen wir, uns über die Bereicherung, die unsere Seele durch ihn erfuhr, klar zu werden.
Nicht auf eine schon oft gegebene Analyse der seiner Kunst eigentümlichen Elemente in Form, Farbe und Technik kann es uns da ankommen, so bedeutungsvoll sie sind. Aus ihnen, vor allem aus der Gewalt der Farben und der Intensität des Lichtes, in der er die Natur sah und uns sehen lehrte, möchten wir vielmehr schließen auf dasjenige, was durch solche Faktoren ausgedrückt wird, was ihnen zugrunde liegt, was sie bedingte. Denn dieser große Maler war mehr als ein Schilderer, er war ein Deuter und ein Dichter der Natur, ein Erfinder. Alle Eindrücke, welche seine starke Sinnlichkeit empfangend schuf, verwandelten sich in gleich starke Gefühlsstimmungen, und deren Erklingen weckte vor dem geistigen Auge seiner Phantasie neue, ungesehene Bilder, die sie schöpferisch gestaltete. Jedes Werk der Ausdruck einer solchen Stimmung, das Bekenntnis psychischer Herrschaft über die Erscheinungswelt, die Verkündigung dichterischer Souveränität! Nicht ein Sklave, sondern ein Freier tritt er der Natur gegenüber, denn er weiß sich ein Teil von ihr und ihre Schöpferkraft fühlt er in sich. Auch die Hervorbringung seines Geistes ist ein natürliches Produkt und trägt als solches ihre Berechtigung, ja Notwendigkeit in sich. Weil er sich im Einklang weiß mit der Natur, darf er die Möglichkeiten, die in ihr schlummern, weiter entwickeln,
Henry Thode: Arnold Böcklin (Gedenkworte). Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1905, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arnold_B%C3%B6cklin.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)