Es war ein schöner Sommerabend, als Florio, ein junger Edelmann, langsam auf die Thore von Lucca zuritt, sich erfreuend an dem feinen Dufte, der über der wunderschönen Landschaft und den Thürmen und Dächern der Stadt vor ihm zitterte, so wie an den bunten Zügen zierlicher Damen und Herren, welche sich zu beiden Seiten der Straße unter den hohen Kastanien-Alleen fröhlichschwärmend ergingen.
Da gesellte sich, auf zierlichem Zelter[1] desselben Weges ziehend, ein anderer Reiter in bunter Tracht, eine goldene Kette um den Hals und ein sammtnes Baret mit Federn über den dunkelbraunen Locken, freundlich grüßend zu ihm. Beide hatten, so neben einander in den dunkelnden Abend hineinreitend, gar bald ein Gespräch angeknüpft, und dem jungen Florio dünkte die schlanke Gestalt des Fremden, sein frisches keckes Wesen, ja selbst seine fröhliche Stimme so überaus anmuthig, daß er gar nicht von demselben wegsehen konnte.
„Welches Geschäft führt Euch nach Lucca?“ fragte endlich der Fremde. „Ich habe eigentlich gar keine Geschäfte,“ antwortete Florio ein wenig schüchtern. „Gar keine Geschäfte? – Nun, so seyd Ihr sicherlich
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)