„Wasser soll ich saufen, wie ein elender Fisch? ist das Nächstenliebe? Bin ich nicht ein Mensch und ein ausgelernter Feldscheer? Ach, ich bin heute so in der Rage! Mein Herz ist voller Rührung und Menschenliebe!“ Bei diesen Worten zog er sich nach und nach zurück, da im Hause alles still blieb. Als er mich erblickte, kam er mit ausgebreiteten Armen auf mich los, ich glaube der tolle Kerl wollte mich ambrasiren. Ich sprang aber auf die Seite, und so stolperte er weiter, und ich hörte ihn noch lange, bald grob bald fein, durch die Finsterniß mit sich diskuriren.
Mir aber ging mancherlei im Kopfe herum. Die Jungfer, die mir vorhin die Rose geschenkt hatte, war jung, schön und reich – ich konnte da mein Glück machen, eh’ man die Hand umkehrte. Und Hammel und Schweine, Puter und fette Gänse mit Aepfeln gestopft – ja, es war mir nicht anders, als säh’ ich den Portier auf mich zukommen: „Greif zu, Einnehmer, greif zu! jung gefreit hat Niemand gereut, wer’s Glück hat, führt die Braut heim, bleibe im Lande und nähre Dich tüchtig.“ In solchen philosophischen Gedanken setzte ich mich auf dem Platze, der nun ganz einsam war, auf einen Stein nieder, denn an das Wirthshaus anzuklopfen traute ich mich nicht, weil ich kein Geld bei mir hatte. Der Mond schien prächtig, von den Bergen rauschten die Wälder durch die stille Nacht herüber, manchmal schlugen im Dorfe die Hunde an, das weiter im Thale unter Bäumen und Mondschein wie begraben lag. Ich betrachtete das Firmament, wie
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)