meine Herren wohnten, dehnte mich noch einmal recht ins Morgenroth hinein und sang fröhlichen Muthes:
Wenn der Hoppevogel schreit,
Ist der Tag nicht mehr weit.
Wenn die Sonne sich aufthut,
Schmeckt der Schlaf noch so gut! –
Das Fenster war offen, aber es blieb alles still oben,
nur der Nachtwind ging noch durch die Weinranken,
die sich bis in das Fenster hineinstreckten. – Nun was
soll denn das wieder bedeuten? rief ich voll Erstaunen
aus, und lief in das Haus und durch die stillen
Gänge nach der Stube zu. Aber da gab es mir einen
rechten Stich ins Herz. Denn wie ich die Thüre aufreiße,
ist alles leer, darin kein Frack, kein Hut, kein
Stiefel. – Nur die Zitter, auf der Herr Guido
gestern gespielt hatte, hing an der Wand, auf dem Tische
mitten in der Stube lag ein schöner voller Geldbeutel,
worauf ein Zettel geklebt war. Ich hielt ihn
näher ans Fenster, und traute meinen Augen kaum,
es stand wahrhaftig mit großen Buchstaben darauf:
Für den Herrn Einnehmer!
Was war mir aber das alles nütze, wenn ich meine lieben lustigen Herrn nicht wieder fand? Ich schob den Beutel in meine tiefe Rocktasche, das plumpte wie in einen tiefen Brunn, daß es mich ordentlich hinten über zog. Dann rannte ich hinaus, machte einen großen Lärm und weckte alle Knechte und Mägde im Hause. Die wußten gar nicht, was ich wollte, und meinten, ich wäre verrückt geworden. Dann aber verwunderten
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)