Seite:Aus dem Märchenschatz der Kaschubei.djvu/16

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Ich komme gern“, antwortete der Soldat, „aber wie kann ich zu einem so großen Herrn gehen, wenn ich so abgerissen bin?“

„O, darum habe keine Sorge“, antwortete der Jude, „ich gebe dir ein neues Wams.“ „Und ein Kamisol auch?“ „Auch!“ „Auch eine neue Mütze?“ „Auch eine Mütze gebe ich dir“, sagte der Jude, und holte ein neues Wams, Kamisol und Mütze aus dem Schrank.

Als sich der Soldat die Sachen angezogen hatte, sah er aus wie ein Graf. Aber dann forderte er vom Juden neue Schuhe. „Auch Schuhe gebe ich dir“, sagte der Jude. Er holte ganz neue herbei und wichste sie schön, der Soldat zog sie an und sagte: „Jetzt könnte ich zum Herrn Starosten gehen, aber auf dem Hofe ist es schmutzig, und da könnte ich mir die blanken Stiefel beschmutzen, ich muß durchaus ein Pferd haben.“ Der Jude holte sein bestes Pferd aus dem Stalle, putzte es mit Striegel und Bürste und legte ihn den Sattel auf.

Der Soldat bestieg das Pferd und sagte: „Jetzt kann ich vor dem Herrn Starosten erscheinen.“ Er ritt zum Schlosse, wie ein großer Herr, und der Jude ging zu Fuß hinterher. Der Starost stand gerade vor seinem Schlosse, als der Soldat angeritten kam. Dieser stieg ab und verbeugte sich höflich vor dem Starosten, und der dankte ihm. Aber der Jude zeigte mit dem Finger auf den Soldaten und sagte: „Das ist er!“

„Du bist wohl verrückt geworden“, antwortete der Starost, „der Herr sollte dir das Geld genommen haben? Du sagtest doch, daß das ein abgerissener Landstreicher gewesen sei.“

„Aber er ist es doch“, rief der Jude, „ich selbst habe ihm ja den neuen Rock gegeben.“ „Dem Juden ist es nicht richtig im Kopf“, sagte jetzt der Soldat, „er ist fähig, zu behaupten, daß auch Wams und Mütze und Schuhe, die ich an mir habe, ihm gehören!“ „So wahr Gott im Himmel ist“, schrie der Jude, „das ist alles mein!“ „Er wird sogar

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Lorentz: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei. Fuchs & Cie., Danzig 1930, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_M%C3%A4rchenschatz_der_Kaschubei.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)