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Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38)

Beschaulichkeit vernachlässigen solle, worauf ihm Isaak entgegnet, das dürften wohl solche der Welt ganz abgestorbene Asceten thun, nicht aber Leute wie sein Adressat, der gar weit von deren Vollkommenheit entfernt sei und noch in weltlichen Dingen und im Umgange mit Menschen seine Erholung suche. Ja weiterhin sagt Isaak, aus den Äusserungen Simeon’s müsser er schließen, daß Dieser bereits einen Anfang in der Reinigung des Herzens und dem eifrigen Denken an Gott gemacht habe; das sei wohl, wenn es wirklich auf Wahrheit beruhe, etwas Großes, er wünschte aber, Simeon hätte es nicht selbst von sich ausgesagt. Welche dummdreiste Unverschämtheit würde in dem Anschlagen eines solchen Tones gegenüber einem Heiligen wie dem Thaumastoriten Simeon liegen, welcher der Welt und allem irdischen Troste auf’s vollständigste entsagt hatte, seit seinem fünften Lebensjahre als Stylit überhaupt keinen „Umgang mit Menschen“ mehr haben konnte, siebenzig Jahre hindurch in steter Gebetseinigung mit Gott und fast absoluter Nahrungs- und Schlaflosigkeit auf Säulen stand und von allen Zeitgenossen als ein unerhörtes Wunder der Gnade angestaunt wurde! Wir brauchen also kaum noch auf den Umstand hinzuweisen, daß der Brief auch nicht die leiseste Anspielung auf das Säulenstehen enthält, um in dem Adressaten nicht den Thaumastoriten, sondern irgend einen sonst unbekannten Abt Simeon aus Cäsarea mit Sicherheit zu erkennen. Demnach ist auch als Zeitalter Isaak’s von Ninive die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts festzuhalten.

Über die Rechtgläubigkeit Isaak’s läßt sich aus seinen Schriften keine sichere Entscheidung treffen, da diese nur selten eigentlich dogmatische Gegenstände berühren. Eine der von nestorianischen Abschreibern herrührenden syrischen Handschriften seines Werkes in London (die andere ist an beiden Stellen defekt) enthält zu Anfang der dritten von uns übersetzten Abhandlung eine Anerkennung zweier Naturen in Christo, wodurch also jedenfalls ein monophysitischer Verfasser ausgeschlossen wäre, in einer späteren, hier nicht übersetzten Abhandlung aber eine Beziehung auf den

Empfohlene Zitierweise:
Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38). Jos. Koese’lsche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_279.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)