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Clemens Friedrich Meyer (Hrsg.): Belletristische Blätter aus Russland. Zweiter Jahrgang.

Skizzen aus Kaukasien.

Nucha.

Nucha, ehemals Scheki genannt, breitet sich malerisch an den Ufern des Flusses Kodshi zwischen zahllosen Gärten aus, die Berge umschließen wie Schirme die Stadt von allen Seiten und sind von Schakalen erfüllt, die allabendlich ihr Gratis-Concert geben. Hier hat die Stickerei in Tuch seit einigen Jahren ihren Sitz aufgeschlagen. In Ermangelung der Materialien zu einer statistischen Beschreibung dieses Ortes, beeile ich mich, einiges über den dortigen Palast des Chan zu erwähnen. Die Geschichte desselben, weitläuftig und an romantischen Episoden reich, ist in der Kürze folgende: ein Vorfahr des Gründers der gegenwärtigen Festung, Mahmed Hassan Chan, wegen Ungehorsams gegen den Schach geblendet, erbaute hier am Ende des achtzehnten Jahrhunderts einen steinernen Palast, zur Wohnung und zum Richtstuhl. Das Schloß ist zwei Stockwerke hoch, mit je drei Zimmern in der Reihe, zu dem obersten Stockwerk gehören zwei Balkons, die nischenartig von bogenförmigen Decken überdacht sind; vor dem Schlosse ein Bassin, zu beiden Seiten desselben zwei uralte Pappeln. Die Zeit, welche der Macht der Chane nicht schonte, berührte auch das Schloß, das Dach verfaulte, der Bewurf fiel außen und innen ab, die Malereien verblichen, die Spiegelgläser sprangen, kurz, alles bot endlich kaum noch bemerkbare Spuren eines früheren Glanzes dar. Als der Fürst Michail Ssemenowitsch Woronzow zum Statthalter in Kaukasien ernannt wurde, gedachte er auch der Denkmäler der Baukunst: der Fürst ordnete die Restauration des unteren Stockes dieses Schlosses mit möglichster Erhaltung der Ueberbleibsel der Malerei an, auch befahl er, den Umbau des Daches und neue Schreinerarbeiten auszuführen. Die Restauration wurde von persischen Malern unter Aufsicht des nuchinschen Kreisinspectors am Schlusse des Jahres 1851 beendet, die Wandmalereien mit ausgezeichneten Farben stellen vorzugsweise Blumen und Arabesken nach orientalischem Geschmack dar, die Mannigfaltigkeit und das Treffende derselben beschreibt die Feder nicht. Das Meisterwerk besteht in den Kaminen: je einer in jedem Zimmer der niederen Etage, von schneeweißem Alabaster, zu jeder Seite ein Wandspiegel in alabasternem Rahmen. Die Thüren sind geschmackvoll mit Blumen und Gold geschmückt. Die Fensterrahmen schließen neue, bunte Scheiben ein, an der Façade sind die alten Glasmalereien aufgefrischt. Die obere Etage harrt noch der Restauration, sie enthält das Archiv des Kreises. Das Schloß zeichnet sich nach einer solchen

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Clemens Friedrich Meyer (Hrsg.): Belletristische Blätter aus Russland. Zweiter Jahrgang.. Eggers und Comp., St. Petersburg 1854, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Belletristische_Bl%C3%A4tter_aus_Russland.pdf/298&oldid=- (Version vom 31.7.2018)