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in Triesdorf am märkgräflichen Hoflager anläßlich eines vollen Sonntagsgottesdienstes verlangt. Die Dekrete ex consilio intimo rühmen in stehenden Worten Gelehrsamkeit, Tüchtigkeit und Sittenstrenge, waren meist vorgeschrieben, so daß nur der Name einzusetzen war, schließen aber nicht selten mit ernsten kasuellen Ermahnungen. Die Gottesdienste waren sehr reichlich. Die Sechs-Uhrkirchen währten das ganze Jahr, die „Abendstifte“ an den gewöhnlichen Sonntagen, die „Abendstädte“ an den hohen Festen, die vielen Katechesen, welche auch von den Mittelschülern besucht werden mußten, zum wenigsten drei Wochenpredigten, die Litanei „zur Schiedung“ am Freitag gaben viel Anlaß zur Erbauung.

 Die Aposteltage, die Epiphanienfeste, die dritten Feiertage wurden bis in die Preußische Zeit (1791–1806) hinein gefeiert. Die Verordnungen über Sonntagsheiligung gehen bis ins Einzelne, die Anordnung der Reihenfolge beim Betreten und Verlassen des Gotteshauses, „wo die Pursche allzu drängen“, die Rangordnung bei der Kommunionfeier ward von mehreren Markgrafen eingeschärft. Chorgesang, an dessen Stelle die Arie trat, war besonders um Weihnachten häufig, wo auch die Schüler mit dem Kantor durch die Stadt gingen, eine löbliche Kurrende, die im Bayreuther Unterland auf viele Meilen und Wochen sich ausdehnte. Der Kirchengesang war gut und frisch, ein armer Buchbinder, Prediger, hatte heimlich ein Orgelwerk erfunden, das besonders gerühmt wird. Responsorien, Litanei und Liturgie fehlten nicht, die Predigten waren lang, im Eingang gaben sie ein specimen eruditionis, sodann viele Beispiele, erst gegen das Ende wurden sie anfassender. Indeß berichtet ein Besucher Ansbachs, dort werde auf der Kanzel wenigstens nicht Anatomie und Naturlehre vorgetragen. Die Kleidung war der alte schwarze Priesterrock, den zumeist der „Heilige“ lieferte, wenigstens ist in den Inventaren der Stiftskirche der Kirchenrock stets vorgetragen, neben ihm die Alba, die Altwürttemberg noch trägt. Ich habe bis 1790 ihre Spur im Ansbachischen gefunden. Zu Junkheims Beerdigung sollen aus dem Leutershausener Dekanat (Ansbachs Geistliche standen direkt unter dem Konsistorium) zwölf, so es wegen „ihrer Leibesumstände und -konstitution willen“ wohl vermöchten, im Gasthause zur goldenen Krone mit weißen und schwarzen Priesterröcken sich einfinden. Es ist nicht übel, zu hören, wie schwach manche Konstitution sich dabei erwies. – Erst seit Hardenbergs Zeit werden die Heiligen-Rechnungen von den Kosten für Reinigung der Alben befreit: die Zeit des Sparens in minimis ist gekommen. – An Pfingsten mußten Maien die Kirchen zieren „um des Frühlings und der Heiterkeit des vernünftigen Gottesdienstes willen“. Auch könnten alte gebrechliche Leute, die sonst nie in die freie Natur kämen, sich dieselbe so in der Kirche füglich imaginieren, endlich könne man nur dann singen:

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Aus Ansbachs vergangenen Tagen. Fr. Seybold’s Buchhandlung, Ansbach ca. 1912, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bezzel_Aus_Ansbachs_vergangenen_Tagen_10.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)