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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1

Angst ihres Herzens geoffenbaret, und was sie vom Grünen auf diese Stelle erhalten; aber wenn sie gewußt hätte, auf welche Weise sie dieser Pein los werden könnte, sie hätte Alles im Himmel und auf Erden geopfert. Sie war von Natur ein vermessen Weib, jetzt aber ganz erwildet in wüthendem Schmerze.

Da geschah es, daß wiederum ein Weib ein Kind erwartete. Dießmal war die Angst nicht groß, die Leute wohlgemuth, sobald sie zu rechter Zeit für den Priester sorgten, meinten sie, des Grünen spotten zu können. Nur Christine war es nicht so. Je näher der Tag der Geburt kam, desto schrecklicher ward der Brand auf ihrer Wange, desto mächtiger dehnte der schwarze Punkt sich aus; deutliche Beine streckte er von sich aus, kurze Haare trieb er empor, glänzende Punkte und Streifen erschienen auf seinem Rücken, und zum Kopfe ward der Höcker, und glänzend und giftig blitzte es aus demselben, wie aus zwei Augen hervor. Laut auf schrien Alle, wenn sie die giftige Kreuzspinne sahen auf Christines Gesicht, und voll Angst und Grauen flohen sie, wenn sie sahen, wie sie fest saß im Gesichte aus demselben herausgewachsen. Allerlei redeten die Leute, der Eine rieth dieß, der Andere ein anderes, aber Alle mochten Christine gönnen, was es auch sein mochte, und Alle wichen ihr aus, und flohen sie, wo es nur möglich war. Je mehr die Leute flohen, desto mehr trieb es Christine ihnen nach; sie fuhr von Haus zu Haus; sie fühlte wohl der Teufel mahne sie an das verheißene Kind, und um das Opfer den Leuten einzureden mit unumwundenen Worten, fuhr sie ihnen nach in Höllenangst. Aber das kümmerte die Andern wenig; was Christine peinigte, that ihnen nicht weh; was sie litt, hatte, nach ihrer Meinung, sie verschuldet,

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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1. Jent & Gaßmann, Solothurn 1842, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bilder_und_Sagen_aus_der_Schweiz_I.pdf/60&oldid=- (Version vom 31.7.2018)