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abstrakte, fast jeder Anspielung auf Zeitverhältnisse des Auslegers ermangelnde und eine mehr phantastisch apokalyptische, welche die großen Ereignisse der jeweiligen Gegenwart in der Apk angedeutet findet und aus ihr auch die Zukunft zu berechnen unternimmt. Die letztere lehnt sich dabei an die erstere an. Eine eigentliche „weltgeschichtliche“ Ausdeutung der Apk bringen beide noch nicht. Man findet nur ganz allgemein die Hauptmomente der Entwickelung angedeutet. Beide Methoden basieren außerdem auf der Rekapitulationstheorie.


8. Die weltgeschichtliche Deutung der Apk; Nicolaus von Lyra.

Eine neue Epoche, freilich keinen neuen Fortschritt in der Auslegung der Apk bezeichnet das Werk des Nicolaus von Lyra[1]. Geschrieben ist sein Kommentar zur Apk 1329[2]. Zum ersten Male ist hier von Anfang bis zu Ende eine fortlaufende weltgeschichtliche Deutung durchgeführt. Mit den Siegeln kommt Lyra bis in die Zeit Domitians, es folgt in den sieben Posaunen die Zeit der Ketzer von Arius bis zu dem Patriarchen Anthemus[3]. Apk 12 findet er den Kampf des Chosroes mit Heraclius, in dem ersten Tier (Apk 13) den Sohn der Chosroes, in dem zweiten Muhamed[4], Apk 14 Pipin und Karl den Großen. Mit den sieben Schalen beginnt die Geschichte der Kreuzzüge, 19,11ff. wird auf Balduin, den ersten König von Jerusalem, bezogen. Selbst über den Abschnitt Apk 20,1ff. geht Lyra mit seiner kirchengeschichtlichen Deutung hinweg. Er sieht dort den Streit zwischen Calixt und Heinrich V. geweissagt. Die Bindung des Satans wird auf die Begründung des Predigerordens bezogen. Mit dem nochmaligen Ausbruch des Satans soll dann das Ende kommen.

Eine Reihe von Auslegungen der Apk nach dem eigentlich weltgeschichtlichen Schema des Nicolaus v. Lyra nennt Alcasar in seiner Einleitung (S. 11 vgl. 68f.). Von diesen ist das Werk des Petrus Aureolus nach Alcasar 69 bereits im Jahre 1317 geschrieben, sodaß wir den Aureolus sogar als den Urheber dieser Auslegungsart anzusehen hätten. Von Aureolus abhängig sollen nach A. 69: Lizarus und Ederus (in „oeconomia“) sein, endlich Antonin (v. Florenz?) in seiner Historia (Summa historialis ?). — Mir sind die Werke sämtlich unzugänglich.



  1. Lyras Postille wurde sehr oft aufgelegt. Erste (?) Edition Rom 1471; Paulus Burgensis schrieb mit starker Polemik gegen Lyra: additiones ad Nic. Lyrae postillas (Alcasar gibt in der Einleitung seines Kommentars für Paulus Burgensis das Jahr 1434 an); für Lyra trat Matthias Doring in seinen replicis adversus Paulum Burgensem auf. In der Nürnberger Ausgabe von 1493 finden sich sowohl die additiones des Paulus Burgensis und Dorings Replik (nach Walch Bibliotheca theologica selecta IV 396f.).
  2. S. die Berechnungen der Zahl 666.
  3. Wir finden hier, allerdings jetzt nicht mehr in wiederholter Rekapitulation, sondern in einfacher fortlaufender Deutung, die alte Reihenfolge: Verfolgungen, Ketzer, Sarazenen (vgl. Joachim).
  4. Die Berechnung der Dauer der Herrschaft Muhameds auf 666 Jahre, die Innocens IV. einst feierlich verkündigte, wird abgelehnt. Sie paßte nicht mehr zu Lyras Zeit.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 083. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S083.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)