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Komposition der Apk erkannt: das dreimal sich wiederholende Siebenzeichen ist nach ihm der Mechanismus, mit dem der Redaktor der Apk eine Reihe übernommener kleinerer Fragmente zu einem Gesamtbilde verarbeitet hat. Mit Weizs. gehen Sabatier und Schön, nur daß sie (nach Vischer) einen christlichen Apokalyptiker annehmen, der verschiedene jüdische Stoffe in seine Apk eingearbeitet hat. Hier sind wir auf dem richtigen Wege. Wir nehmen keine Grundschrift mit allmählichen Erweiterungen, keine Quellen und keinen mechanisch arbeitenden Redaktor an, sondern einen apokalyptischen Schriftsteller, der jedoch in vielen Punkten nicht aus freier Hand schuf, sondern ältere apokalyptische Fragmente und Überlieferungen, deren Überlieferung vorläufig noch dunkel bleibt, verarbeitete.

Die Fragen, welche Fragmente im einzelnen dem Apokalyptiker wirklich literarisch vorlagen, ob diese Stücke in unmittelbarem Zusammenhang mit einander standen, bleiben dann der Einzeluntersuchung vorbehalten und werden sich nicht überall mehr mit Sicherheit beantworten lassen. Auch ist bei dieser Auffassung die Apk natürlich eine christliche Schrift. Und zwar ist dies das Sichere und Gegebene. Ob und wie weit in ihr Fragmente jüdischer Herkunft enthalten sind, bedarf einer sehr vorsichtigen und oft nicht zum sicheren Ziel führenden Einzeluntersuchung.

IV. Wenn es nun richtig ist, daß der Apok. als ein selbständiger Schriftsteller anzusehen ist, dann handelt es sich für uns vor allem und in erster Linie um eine präzise Darstellung der speziellen Individualität und der geschichtlichen Situation des Schriftstellers und des Zweckes seiner Schrift. Zugleich würde, wenn diese Aufgabe gelingt und wir ein einheitliches charakteristisches Bild von der Persönlichkeit des Apokalyptikers letzter Hand gewinnen, die bisher vertretene Auffassung ihren endgültigen Beweis erhalten. Leicht ist dieser Versuch keineswegs, aber er muß dennoch unternommen werden. Müßten wir den Apok. für einen einfachen Redaktor und Kompilator halten, dann wäre es der gewiesene Weg, mit den Quellen einzusetzen und von da zu dem Ganzen vorzudringen. Ich meine aber, daß die in dieser Richtung gemachten Versuche nicht gerade ermutigen, den Weg, der uns bisher nur in ein unentwirrbares Labyrinth von Hypothesen hineingeführt, noch weiter zu verfolgen. Bei unsrer Gesamtanschauung aber ist der Weg vom Ganzen zum Einzelnen einzuschlagen. — Es wird also darauf ankommen mit aller hier gebotenen Vorsicht zu fragen, ob wir nicht in der Apk gewissen Spuren desselben Geistes, derselben aus der gleichen Situation stammenden Gesamtanschauung in allen Teilen der Schrift, oder doch den meisten, wiederbegegnen. Und dabei können wir sogar einmal vorläufig ganz von der Frage absehen, ob wir überall nur mit dem eigensten Besitz des Apok. arbeiten. Selbst wenn wir entdecken würden, daß dieses oder jenes Stück, das wir benutzten, nur von dem Apok. entlehntes traditionelles Gut sei, wäre damit nichts umgestoßen. Wir würden dann nur urteilen, daß der Apok. ältere Vorstellungen mit Verständnis übernommen, alte Münze neugeprägt hat. Nur darauf werden wir Acht geben, daß wir

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S129.png&oldid=- (Version vom 1.4.2019)