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seiner Beamten als dominus et deus titulieren[1]. Hat die Verehrung der verstorbenen Cäsaren schon vorher eine große Rolle im Religionswesen namentlich im Osten des römischen Reiches gespielt, so scheint erst unter den Flaviern die Verehrung der lebenden Herrscher sich allgemein durchgesetzt zu haben[2]. Und damit hat dann natürlich der ganze Kultus einen neuen nachhaltigen Aufschwung genommen. So liegen alle die Faktoren, aus denen die Grundstimmung der Apk sich erklären läßt, in der Regierungszeit Domitians oder wenigstens deren Ende neben einander. Über die Regierungszeit Domitians nach rückwärts wird man mit dem Anfang der Apk kaum gehen dürfen. Aber auch nicht viel weiter vorwärts. Denn von einer so systematischen Verfolgung, wie sie der Brief des Plinius voraussetzt, zeigt die Apk — namentlich die Sendschreiben — noch keine Spur. Was in der Apk darauf hindeutet sind Zukunftsweissagungen des Sehers, der allerdings mit hellen Augen in seine Gegenwart hineinschaut.

Diese allgemeinen Erwägungen werden nun trefflich durch direkte Zeugnisse über die Entstehungszeit der Apk gestützt. Vor allem wertvoll ist hier das des Irenäus V 30,3 (Eusebius H. E. V 8,6): οὐδὲ γὰρ πρὸ πολλοῦ χρόνου ἑωράθη, ἀλλὰ σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡμετέρας γενεᾶς πρὸς τῷ τέλει τῆς ∆ομετιανοῦ ἀρχῆς. Das Zeugnis geht, wie wir oben nachzuweisen versuchten, vielleicht auf einen noch älteren Gewährsmann, Papias, zurück. Aber ganz abgesehen davon ist es besonders wertvoll, weil es allein noch ganz unverworren ist mit der — wahrscheinlich irrtümlichen — Tradition über das Patmosexil des Johannes unter Domitian, während in allen späteren Nachrichten diese Kombination hergestellt ist. — Wir haben nach allen Erwägungen keinen Grund, an der Zuverlässigkeit dieses Zeugnisses zu zweifeln. Einzelbeobachtungen, die man für ein früheres Datum hat geltend machen wollen, vor allem die 11,1-2 ausgesprochene Erwartung der Erhaltung des Tempels von Jerusalem können gegenüber dem oben festgelegten Gesamtcharakter der Apk nicht aufkommen. Sie deuten nur darauf hin, daß in das Gesamtwerk ältere Fragmente eingesprengt sind.

Andre Einzelbeobachtungen bestätigen dagegen mehr oder minder jenes Datum. So wird sich nachweisen lassen, daß in Kap. 17 eine Quelle aus der Zeit Vespasians (s. den Exkurs zu diesem Kapitel) bereits verarbeitet ist. Es wird also wahrscheinlich, daß der Bearbeiter einige Zeit später, also etwa unter Domitian geschrieben hat. Ferner kommt in Betracht, daß der Apok. letzter Hand im Gegensatz zu seiner Quelle in Kap. 17, welche noch einfach das Wiederkommen Neros von den Parthern erwartet, eine andre und doch wohl spätere Form der Nerosage kennt, derzufolge Nero als das höllische Untier aus dem Abgrund erscheint, also aus dem Totenreich wiederkehrt. Wir können mit unsern Mitteln die Geschichte der Nerosage kaum


  1. Vgl. den Artikel Kaiserkultus in Roschers Lexikon der griech. u. röm. Mythologie 907; W. M. Ramsay l. c. 275.
  2. E. Kornemann, z. Gesch. d. antiken Herrscherkulte. Beitr. z. alten Gesch. I 1902 S. 144.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S134.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)