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Diesmal eines Engels. Er muß ein Buch verschlingen: noch eine ganze Fülle von Weissagungen wird ihm anvertraut über Völker und Nationen und Zungen und Könige. Aber nach der siebenten Posaune soll doch das furchtbare Mysterion, das im Grunde eine frohe Botschaft ist, sich enthüllen. In Anlehnung an eine fremde Quelle beschreibt der Seher dann (Kap. 11), wie er sich die Geschehnisse am Ende der Dinge in Jerusalem denkt. Aber sein Herz hängt nicht mehr an diesen Vorgängen. Er eilt hinüber zur Schilderung des letzten großen Kampfes in der weiten Welt. Mit der siebenten Posaune eröffnet er diese Weissagung: Wieder hört er einen himmlischen Lobgesang. Gott hat sein Regiment schon angetreten, nun hilft alles Toben der Heiden nicht mehr; nun kommt das große Gericht über Tote und Lebende. Die Pforten des himmlischen Tempels springen schon auf; die Bundeslade, Gottes Thron erscheint. Gott ist nahe! Aber ehe nun der Apok. den nahen Kampf weissagend beschreibt, wirft er einen Blick nach rückwärts, die Flucht der Ereignisse rückt ihm in einen großen Zusammenhang ein. Die Geschichte, die er erlebt, wird ihm ein Akt im Drama des Krieges Gottes mit dem Teufel. Dieser hat bereits eine gewisse Dauer: Schon hat der Erbfeind, der Drache, mit dem jungen Sonnenkind — für den Apok. ist das Christus — den Kampf geführt; und diesen Kampf schildert der Seher uns in einem eigentümlich grotesken Bilde (Kap. 12). Tief hat er den Pinsel eingetaucht in die Farben eines uralten heidnischen Mythus; der muß ihm dienen zur Verherrlichung seines Herrn; und er schildert weiter, wie der Drache, nachdem er das Sonnenkind nicht hat töten können, das Weib, die urchristliche Gemeinde, verfolgt. Dabei aber ist ein großer Trost: In entscheidender Schlacht ist der Teufel, der Drache, im Himmel bereits besiegt und gerichtet. Um so mehr wütet er freilich auf Erden; aber sein Sturz ist nur noch eine Frage der Zeit. So hat er denn auch dem verfolgten Weibe (der urchristlichen Gemeinde) nichts anhaben können. Aber nun ist es endlich zum dritten und letzten Akt des Dramas gekommen: Der Drache hat seine Wut gegen die Übrigen vom Samen des Weibes, gegen die Christen in der weiten Welt gerichtet. Er hat seinen Diener, das Tier mit den sieben Häuptern, das römische,Imperium, gerufen (12,18), dessen furchtbares Kennzeichen, das getötete und wieder lebendig gewordene Haupt, das Widerspiel des geschlachteten Lammes, ist. D. h. das römische Reich wird seine ganze antichristliche Furchtbarkeit erst unter dem zu erwartenden Nero redivivus enthüllen (Kap. 13). Neben das erste Tier tritt als sein Gehülfe in diesem Kampf ein zweites vom Lande her kommend; offenbar eine herübergenommene mythische Figur und deshalb schwer zu deuten. Aber um so deutlicher ist es, was nach der Meinung der Apok. der Gegenstand dieses Ringens sein wird: die Anbetung des Tieres. In immer wiederholtem Refrain bohrt der Apok. dieses Wort den Hörern in die Seele. „Wenn einer Ohren hat, soll er hören. Hier handelt es sich um Geduld und Treue des Heiligen.“ Hier steht der Apok. auf der Höhe seiner Weissagung. — Im Folgenden freilich enttäuscht er uns. Wir erwarten jetzt unmittelbar die Entscheidung des Kampfes; aber diese erfolgt nicht.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S145.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)