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Die vier ersten Plagen haben nach einander Erde, Meer, Gewässer und Gestirne betroffen, es ist kein Zufall, daß im folgenden eine Plage aus dem Abgrund aufsteigt, so daß dann wieder die vier Regionen der Welt beisammen sind.

8,13. Der erste Adler-Ruf. καὶ εἶδον καὶ ἤκουσα (5,11; 6,1) ἑνὸς (9,13; 18,21; 19,17) ἀετοῦ[1] πετομένου ἐν μεσουρανήματι λέγοντος φωνῇ μεγάλῃ. Der Adler fliegt am Zenith (14,6; 19,17); μεσουρανεῖν bezeichnet nämlich das Stehen der Sonne in ihrer Mittagshöhe, μεσουράνημα ist dann das Wort, das diesen Standpunkt der Sonne bezeichnet. Der Adler ist hier als der gewaltige und furchtbare Vogel zum Träger des mächtigen Weherufs gewählt. Der Adler als Bote kommt auch in der Apok Bar 77,19ff vor. οὐαὶ οὐαὶ οὐαὶ τοὺς κατοικοῦντας[2] ἐπὶ τῆς γῆς (die Irregularität des Akk. ist gänzlich unerklärlich; anders B. Weiß) ἐκ (vgl. 8,11) τῶν λοιπῶν φωνῶν τῆς σάλπιγγος[3] (der Singular ist generell zu fassen; in der Übersetzung ist σάλπιγξ eng zu φωνῶν zu ziehen: Posaunenstöße) τῶν τριῶν[4] ἀγγέλων τῶν μελλόντων σαλπίζειν. Dieser Weheruf trennt die ersten vier Posaunen von den folgenden drei. Mit der Zählung der folgenden Weherufe kommt der Apok. allerdings ins Gedränge. Regelrecht notiert er 9,12 nach der fünften Posaune den Ablauf des ersten Wehes. Da er jedoch zwischen die sechste und siebente Posaune 10,1-11,13 einschiebt, so wird das Ende des zweiten Weherufes erst 11,14 notiert. Und da endlich die siebente Posaune kein eignes Wehe bringt, so wird das dritte Wehe überhaupt nicht erwähnt. Doch mag man es immerhin 12,12 finden. Achtet man nun noch darauf, daß die Schilderungen der fünften und sechsten Posaune einen vollkommen andern Stil zeigen als die sehr stereotyp gehaltenen der ersten vier, so drängt sich die Vermutung aus, daß der Apok. ein fremdes apokalyptisches Fragment von den drei Wehen hier nur zum Teil in seinem corpus apocalypticum verarbeitet habe. Der Symmetrie wegen hätte er dann — allerdings nicht zu gunsten der Straffheit der Komposition — aus den drei Wehen die sieben Posaunenplagen gemacht (vgl. J. Weiß 75f.). Ob das hier anzunehmende Fragment mit einem der übrigen in der Apk verarbeiteten in Beziehung gestanden habe, wird sich kaum ausmachen lassen.


9,1-12. Die fünfte Posaune.

9,1. καὶ ὁ πέμπτος ἄγγελος ἐσάλπισεν, καὶ εἶδον ἀστέρα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ πεπτωκότα εἰς τὴν γῆν. Der Stern ist hier als persönliches Wesen gedacht. Über die Personifikation der Gestirne und ihre Auffassung als Engel vgl. das zu 1,4 und 8,2 Bemerkte, ferner Religion d. Judentums 315. Wenn im folgenden dem auf die Erde fallenden Stern ein Schlüssel in die Hand gegeben wird, so wird sich der Apok. denselben wohl in menschlicher Gestalt vorgestellt haben. Ganz ähnlich sind die vom Himmel fallenden Sterne Hen 86,1ff.; 88,1 in Tiergestalt gedacht


  1. P An. a Vict. verbessern αγγελου. Pr. unus ut aquilam, also ενος ως αετου, eine auf den ersten Blick plausible Lesart, die aber doch wohl auf Korrektur beruhen dürfte.
  2. τοις κατοικουσιν AP An.¹²³⁵.
  3. > sa.
  4. > sa.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S297.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)