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Naphthali irgendwie an das Zwölfstämmevolk gedacht ist. Ohne daß der Erklärung des Ganzen vorgegriffen würde, mag ferner schon hier darauf hingewiesen werden, daß dem Apok. (oder seinem Vorgänger) bei der Zeichnung dieses Bildes vielleicht ein Kultbild vorschwebte, das er sich in seiner Weise deutete. Das Sonnenkleid und der Kranz der zwölf Sterne (zwölf Sternbilder des Tierkreises) deuten auf die Vorstellung einer Himmelsgöttin (Zimmern, KAT³ 630).

12,2. καὶ ἐν γαστρὶ ἔχουσα [καὶ][1] κράζει[2] (ἔκραζεν) ὠδίνουσα καὶ βασανιζομένη τεκεῖν. Wzs. übersetzt: „Und sie war schwanger und schrie in Wehen und Qualen der Geburt.“ Über den an βασανιζομένη lose angeknüpften Infinitiv vgl. Winer § 44,4 S. 306. Gunkel, Schöpf. u. Chaos 200,2 findet hier eine Spur für ursprünglich aramäische Abfassung und vergleicht I Sam 4,19 הרה ללדת (s. u.). Zur Sache vgl. Jes 26,17: καὶ ὡς ἡ ὠδίνουσα ἐγγίζει τεκεῖν, ἐπὶ τῇ ὠδῖνι αὐτῆς ἐκέκραξεν. Micha 4,9f. (vgl. Jer 4,31; 22,23) wird die plötzlich über Israel hereinbrechende Not unter dem Bild der über die Gebärerin kommenden angstvollen Geburtsstunde geschildert. Jes 66,8ff. (vgl. 54,1ff.) wird das Kommen der messianischen Zeit unter dem Bilde eines leichten und glücklichen Gebärens des Weibes Israel dargestellt. Diese Parallelen deuten doch wohl darauf hin, daß in dieser Vision — wenigstens im Sinne unseres Apokalyptikers — von der Geburt des Messias oder der messianischen Zeit die Rede sein soll, und daß bei dem Weibe vielleicht an eine Personifikation Israels zu denken ist. Gunkel betont freilich, daß hier in keiner Weise eine derartige Beziehung vorliege, weil hier 1) das was im Alten Testament bildlich gemeint sei, als Wirklichkeit aufgefaßt sei, 2) gerade das Bild einer qualvollen Geburt mit Beziehung auf die messianische Zeit sich nicht nachweisen lasse; 3) nirgends in den parallelen Stellen die Mutter, das himmlische Jerusalem, mit dem bestimmten Kinde, dem Messias, zusammen vorkomme. Dagegen ließe sich einwenden, daß der Vorgang, daß prophetische Bilder in der apokalyptischen Literatur materialisiert und grobsinnlich verstanden werden, ein gar nicht selten vorkommender ist. Der zweite und dritte Einwand Gunkels aber besteht insofern freilich zu Recht, als aus jenen alttestamentlichen Stellen allein diese Vorstellungen nicht abgeleitet werden können.

12,3. καὶ ὤφθη ἄλλο σημεῖον ἐν τῷ οὐρανῷ, καὶ ἰδοὺ δράκων μέγας πυ(ρ)ρὸς[3] (πυ[ρ]ρὸς μέγας)[4] ἔχων κεφαλὰς ἑπτὰ καὶ κέρατα δέκα, καὶ ἐπὶ τὰς κεφαλὰς αὐτοῦ ἑπτὰ διαδήματα. Der siebenköpfige Drache ist eine Vorstellung, dessen mythologische Herkunft von vornherein deutlich ist. Auch die babylonische Mythologie kennt eine siebenköpfige


  1. και ℵC 95 f g am. fu dem. lips.⁴⁶ tol. ae. Pr.; > APQ Rel. cle. lips⁵ Hipp. Meth. Vict. Das και ist wahrscheinlich als die schwierigere Lesart beizubehalten und dann dem Sprachgebrauch der Apk gemäß zu ἔχουσα ein ἐστιν zu ergänzen.
  2. κραζει ℵAP An.¹² 95 dem. tol. Hipp.gr Meth.; εκραζεν C. Rel. f g cle. fu lips.⁴⁶ s² a Pr. Hipp.s; εκραξεν Q al¹².
  3. πυρρος ℵAP An.³ 38 al. f g Or.i Meth. Tic. Pr.; πυρος CQ Rel. c s¹² a.
  4. μεγας πυρ(ρ)ος AP An.¹²³ 95 s¹ vg. Or.i Tic.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S336.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)