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solche bestimmte Person, auf welche die Weissagung gehen könnte, läßt sich nun einmal trotz allen Ratens nicht finden. Wir werden uns deshalb mit jener halben Lösung zunächst begnügen müssen. Um so bestimmter und deutlicher tritt nun in der zweiten Hälfte des Kapitels heraus, worin der furchtbare Kampf des ersten Tieres mit den Heiligen besteht. Es handelt sich um die Kaiserverehrung, den Cäsarenkult, den jenes verlangt und diese verweigern. Das zweite Tier ist seinem Wesen nach der Agent des Kaiserkultes, aber auch durch das ganze Kapitel hindurch wird dieser Ton wieder und wieder angeschlagen. Heidnische Staatsmacht und heidnische Staatsreligion im Bunde mit einander wider den neuen Glauben! Es ist der letzte arge Feind, mit dem die Christen den Kampf zu bestehen haben. Rechnet nur nach: die furchtbare Zahl 666 paßt auf ihn! Aber der äußern Gewalt sollen sie beileibe keine äußere Gewalt entgegensetzen. Passive Beharrlichkeit sei ihre Waffe. Hier handelt es sich um Geduld und Treue der Heiligen!

Wie nun im einzelnen die Weissagung zeitgeschichtlich zu deuten ist, mit welcher historischen Situation der Apok. die Weissagung von der Wiederkunft des Nero redivivus verbindet, wie die sieben Häupter des Tieres zu deuten resp. die römischen Cäsaren zu zählen sind, das kann erst bei der Auslegung zu Kap. 17 erörtert werden. Kap. 13 gibt bei der mannigfachen Deutbarkeit der sieben Häupter (Könige) zu wenig Anhalt. Nur das eine ergibt sich schon hier, daß die Erwartung der Wiederkunft des Nero in der hier vorliegenden Form der Weissagung der Wiederkehr aus dem Tode uns zwingt, mit der Apk bis ans Ende des ersten Jahrhunderts hinabzugehen. Denn die Nerosage hat einige Zeit gebraucht, bis sie sich zu dieser Form entwickelte (das Genauere s. u. zu Kap. 17).

2) Hier haben wir uns noch mit der Frage zu beschäftigen, ob Spuren der Verarbeitung älterer Quellen in unserem Kapitel nachweisbar sind. Anlaß zu der Annahme, daß hier eine ganze jüdische Quelle verarbeitet sei, hat namentlich die andre Überlieferung der Zahl des Tieres „616“ gegeben, die allerdings bereits auch von der Nerodeutung aus ihre zureichende Lösung gefunden hat. Nachdem von Zahn schon 1885 (Z.W.L. 571-73) scherzweise die Auflösung des Zahlenrätsels 616 = Γάϊος Καῖσαρ vorgetragen war, wurde der Versuch dieser Lösung gleichzeitig von Oscar Holtzmann (in Stades Gesch. Israels II 388ff.), Spitta und Erbes unternommen[1]. Nach Sp., der besonders eindringend das Kap. 13 untersucht hat[2], ist demgemäß dies Kapitel unter Cajus geschrieben und spiegelt die Lage Palästinas in den Jahren 39-41 wieder. Damals hatte nämlich Caligula die Aufstellung seiner Statue im Tempel von Jerusalem befohlen und schickte sich der Statthalter Petronius, wenn auch zögernd an, den Befehl des Caligula mit Waffengewalt durchzusetzen (vgl. Leg. ad. Cajum c. 30ff.; Mang. II. 575ff.; Jos. Antiq. XVIII 261ff.). Den Kern von Kap. 13 sieht Sp. demgemäß in V. 6, in


  1. Nach Züll. II 239 hat bereits Weyers im Anfang dieses Jahrh. die Beziehung der Zahl 616 auf Γάϊος Καῖσαρ vermutet.
  2. Vgl. auch die Ausführungen von Erbes, der unabhängig von Sp. in den meisten Punkten mit diesem übereinstimmt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S375.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)