Auf eines Mägdleins Bette glatt gestrichen[1]
Die weißen Röcklein auf dem Stuhle glichen
Zwei Engeln, die ihr still zum Haupte wachten.
Still war sie, bis der Mond von ihr gewichen;
Er senkte sich zur Erde. Sprünge machen
Es spielte mit herumgestreuten Sachen,
Ein Strumpfband wars und eine Blumenkette;
Und als der Mond am Bett hinaufgeschwebet,
Sah ich’s, als ob es glühnde Augen hätte.
Das Mägdlein sich und sprach: „Wie schön gesungen
Hat heut die Amme, noch das Herz mir bebet:
Frau Nachtigall, mein Herz ist mir zersprungen.“
So sprach das Kind und legte still sich nieder.
Ein stilles Feuer zog durch meine Glieder.
Oft hieß es mich empor nach ihr zu sehen,
Und immer hob ihr lockigt Haupt sie wieder.
Dann sprach sie Worte, mir nicht zu verstehen,
Und bis ich sah den Mond mir untergehen,
Blieb mir ihr Haupt genüber aufgerichtet.
Dann hört ich draußen – harte Worte klangen,
Bis eine milde Stimm den Streit geschlichtet.
Von Bette schlichs zu Bette, gab uns Küsse
Und segnet uns auf Stirne und auf Wangen.
Ich war der letzte. Heiße Tränengüsse
Fühlt ich aus Mutteraugen auf mich fließen.
Ich traute nicht, den Arm um sie zu schließen.
Anmerkungen des Herausgebers
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_004.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)