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     Des Weihrauchs süße Wolken mich umwallten,

     An hohen Säulen goldne Engel hingen,
Der vielen Bilder seltsame Gestalten,
     So stille und so kühl die hohen Bogen,

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     Wie unsre Schritte in den Hallen schallten,

Die Orgeltöne jubilierend zogen,
     Und wie die Mönche zu den Stühlen schlichen –
     So wunderbar hat nie mein Herz geflogen.
Der Alte machte mir des Kreuzes Zeichen,

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     Mit Weihewasser er mich tüchtig sprengte,

     Befahl mir dann, zu horchen und zu schweigen.
Die Seele sich in meine Ohren drängte.
     Als laut im Chor sie meinen Namen sangen,
     Entzücken sich mit tiefer Angst vermengte.

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Die Worte mir wie Feu’r zur Seele klangen:

     „O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!
     Ein ewiges Gefühl hab ich empfangen.
Ruft man mich Clemens, sprech ich still: „o pia!
     In meiner letzten Stund dich mein erbarme;

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     O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria,

Empfange meine Seel in deine Arme!“

* * *

Schon siebenmal war Weihnacht mir erschienen
     Mit ihres Kinderschatzes frommen Glanz;
     Ich konnte lesen und die Messe dienen.

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Die Erde stand in Frühlingsfreude ganz;

     Des lustgen Pfingstfests Feier zu begehen
     Schmückt man die Kinder mit dem Blumenkranz.
Zur Kirche sah man tausend Kinder gehen;
     Es teilt die Firmung dort der Bischof aus,

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     Daß sie bestätigt in dem Glauben stehen.

In Feierkleidern trat ich aus dem Haus
     Und zog mit vielen Kindern zu der Weihe,

     Wie sie geschmückt mit einem Blumenstrauß.
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_007.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)