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Denn um seine Hütte wachsen

Weiße, rote, gelbe Rosen.

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Schamvoll, schuldvoll überschwankend

Wiegt die rote, blutge Rose –
Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln –
Stumm zwei Knospen an der Sonne!

Abgewendet von dem Alten

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Unterm Zorn der dunklen Dornen

Läßt die gelbe Rose wanken
Tränenschwere Trauerglocken.

Und die weiße Rose, zagend,
Gleicht dem Geiste einer Nonne,

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Bleicht den Schleier weinend, wachend

Ewig unter Mond und Sonne.

Jetzt auch zu dem Bache wandelt
Rosablanka, während Kosme
Betend liegt; mit kühlem Wasser

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Netzt sie Wange, Brust und Locke,


Ihre Stimme noch umfangen
Von des Traumes Nebelkrone,
Und die Augen scheu umflattert
Von der Sonnenbilder Flocken.

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Doch des Wassers Spiegel mahnet

Zu dem frommen Wunsch die Fromme:
„Könnte alle Schuld ich zahlen
Mit der goldnen Flut der Locken!“

Ihre Worte hört der Alte,

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Und spricht zu ihr: „Fromme Tochter,

Sei gesegnet an dem Tage,
Da du bist zum Licht geboren!


Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_019.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)