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Wo sie zu dem Monde fallen

Scheinet er von blankem Golde

175
Eine Sichel, die am Abend

Rosen streute für Auroren.

Aber nächtlich hat die Schlange
Um die Sichel sich gerollet.
O erscheine, Herr des Gartens,

180
Tritt den Lügner an den Boden!


Denn inmitten dieser Tafel
Ist noch kaum ein Strich gezogen,
Gleich des Blinden Auge starret,
Gott erharrend, hin der Bogen.

185
Jährlich nur an diesem Tage

Weint vor dem Gewand der Nonne
Und der Locke goldner Haare,
Büßt vor diesem Bilde Kosme.

Wie, an heilgen Jahrestagen

190
Nur, die Kirche die Kleinode,

Die Reliquien des Schatzes
Auftut, zu der Frommen Troste,

So auch liegt der Schatz des Jammers
Jährlich vor dem Büßer offen

195
Da geboren Rosablanke,

Da die Mutter ihr gestorben.

Die in schwerer Schuld empfangen,
Die in schwerer Schuld gestorben,
Und es ist der Sünde Vater

200
Rosablankas Vater Kosme.


Bis in tiefer Reue Flammen

Der Verzweiflung Erz geschmolzen,
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_024.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)