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Eine Königin, empfangen
Hätt ich dich mit dieser Krone!“

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Und nun setzt er Rosablanken

Auf das Haupt die Blumenkrone,
Die er in dem Korb bewahret,
Ruhend auf den Früchten oben.

Und die Jungfrau in Gedanken

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Gehet mit bekränzten Locken

Ihm zur Seite durch den Abend,
Gleichend einer stummen Flore.

Pietro aber spricht: „Dein Vater
Könnte dann bei uns auch wohnen,

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Und er wäre nie verlassen,

Eines blieb ihm stets zum Troste.

Und an manchem schönen Abend
Kömmt mein Bruder Jacopone,
Der an Weisheit hochgeachtet,

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In den Garten, sich erholend.


Und zur Freundin wirst du haben
Rosarosen, seine fromme
Stille Gattin; dir gefallen
Wird mein Bruder auch, Meliore.“

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Aber stumm bleibt Rosablanke,

Und der Jüngling spricht betroffen:
„Schweige nicht, o laß mich Armen
Nicht in zweifelhaftem Troste.

Seit als Gärtner deinem Vater

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Ich gepflegt die roten Rosen,

Trag ich heimlich, Rosablanke,
Weißer Rosen bittre Dornen.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)