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Ich versetzte ihm im Garten
Weiße, rote, gelbe Rosen

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Und begehrt am letzten Abend

Eine weiße mir zum Lohne.

Da gabst du von deinem Stamme
Mir ein Zweiglein, dicht in Moose
Hüllt ich’s, trug’s zu meinem Garten,

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Stellt es in den besten Boden.


Schonend ist der Sonne Wagen
Über dieses Reis gezogen,
Segnend hat des Mondes Schale
Guten Tau zu ihm gegossen.

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Hoch bei goldnen Pomeranzen

Rankt sie aus den grünen Wolken,
Deines Namens Sternbild strahle
Günstig meinem Horizonte!

Paradiesisch blüht der Garten,

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Seit die Rose bei mir wohnet,

Und ich gleich dem ersten Manne,
Eh das Weib geschaffen worden.“

Aber Rosablanke dachte
Nun des Traums von diesem Morgen,

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„Pietro,“ sprach sie, „eine Schlange

Rankt um deinen Baum die Rose!

Und der Herr hat sie geschaffen
Aus der sehnsuchtvollen Woge
Seines Busens; des Entschlafnen

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Herz entstieg die Traumgeborne.


Die Orange wird zum Apfel,
Und der Apfel wird zum Tode,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_077.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)