Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 079.jpg

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Und zum Rosengarten wandelt
Sich zu baden nun die Sonne,

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Einen Mantel webt im Schatten

Ihr die Nacht aus grauem Flore.

Als sie schwebet ob dem Bade,
Gleicht es einem Feueropfer,
Sie dem Phönix, der mit Flammen

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Sich verjünget in dem Tode.


Aber rings aus Luft erstarren
Hohe Purpurburgen, golden
Wundervolle Inseln wachsen
Aus des Äthers glühnden Wogen.

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Und die Inseln werden Drachen

Und die Burgen all Sankt George
Und der Sonne Strahlen Lanzen,
Gen die Drachen blank erhoben.

Aber ewig sich verwandelnd,

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Wo sie aufeinander stoßen,

Ziehn sie eine Bucht kristallen
Um der Sonne Bad voll Rosen.

Wie ein Schäfer scheu und schmachtend,
Lauschend schleicht auf leichten Sohlen

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Zu der spröden Hirtin Bade,

Zieht der Mond schon hinter Wolken.

Nieder zuckt sie gleich Dianen;
Jungfräulich erglühnd im Zorne
Spritzt empor sie Goldkristalle,

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Birgt den Schoß im Wellenschoße.


Und der Mond, den Tropfen trafen,
Steht gehörnt gleich Aktäone,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_079.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)