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Und ihr Herz in Schmerz versteinet
Floß in salzgen Quellen her.

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Und der Engel wollte weichen,

Da die Sonne stieg zur See,
Und er stellt zum Friedenszeichen
Ihr den Mond in blauer Höh.

Da er zu dem Licht aufreisend

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Durch das hohe Himmelsfeld,

Rollen seine Tränen kreisend
Um die Erd das Sternenzelt.

Und der Herr sprach: „Niedersteige
Zu der Erde, Azrael!

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Daß sie dir des Staubes reiche,

Bringe ihr des Herrn Befehl!“

Und der Seraph weit ausbreitet
Er die Flügel um sich her,
Daß der Schatten mit ihm schreitet

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Und die Nacht so tief und schwer.


Ihn soll nicht ihr Schmerz ergreifen,
Er will sie nicht trauern sehn,
Und vor ihm an ihren Reifen
Mond und Sonne untergehn.

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Von der neuen Lichter Scheine

Die Geblendeten vergehn,
Als sie freudig und alleine
In ihr eignes Herz gesehn,

Und fand allerlei Gebeine,

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Die das Licht in ihr erregt,

Fand in sich die edlen Steine
Dunkel schimmernd ausgelegt.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_132.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)