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Da sprach Adam: „Herr der Geister,
Lilith floh aus meiner Welt;

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Sie will nicht, daß ich als Meister

Über sie sei aufgestellt!“

Gott ließ nun drei Engel reisen,
Die sie fanden überm Meer;
Sie zur Güte hinzuweisen,

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Machte sie den Engeln schwer.


Und nichts konnte sie erweichen,
Daß sie zu dem Adam kehr,
Und die Engel, daß sie schweige,
Drohn zu stürzen sie ins Meer.

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Da schwur sie, zur Qual alleine

Sei geschaffen sie zur Welt,
Zu der eignen Kindlein Peine
Sei zum Leben sie bestellt.

Und der Herr sprach: „Ja, so bleib es!

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Doch, um sie zu bändigen,

Sollen Kinder ihres Leibes
Täglich hundert untergehn!“

Und seit diesen Fluch der Meister
Ließ ergehen für ein Recht,

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Sterben täglich hundert Geister

Aus der Lilith Urgeschlecht.

Um den Adam zu beschleichen,
Gott sein Haupt in Schlummer senkt,
Stiehlt die Rippe ihm, ein Zeichen,

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Daß der Mensch denkt und Gott lenkt.


Denn er war durch Schaden weiser,
Scheute sich vor Luzifer,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_137.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)