Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 171.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wird bei Pauken und Trompeten
Ihm drei „Vivat hoch!“ erhoben.

145
Doch er blicket allerwegen

Nach der Jungfrau dieses Morgens,
Ihm will auch der Wein nicht schmecken
Bei dem Doktorschmause oben.

Ach, wenn sie den Trank kredenzte,

150
Säh er in des Bechers Golde

Spiegelnd ihre Augen brennen;
Ach, wie er dann trinken wollte!

Ach, und wo ihr Mund den Becher
Selbst entsauget einen Tropfen,

155
Durstig hätte er die Stelle

Ausgebissen aus dem Golde.

Und in dem Tumult des Festes
Schleicht er aus dem lauten Chore,
Irret auf verschiednen Wegen,

160
Denn er wußt nicht, wo sie wohnet.


Wo vor Stunden sie sich trennten,
Geht er, ihren Weg verfolgend,
In den Garten, nah gelegen,
Von Sankt Clarens stillem Kloster.

165
Längs den still beblumten Feldern

Wiegen sich die vollen Rosen,
Von den Tönen tief beweget
Einer süß gerührten Orgel.

Und im stillen Garten stehet

170
Tief erschüttert Jacopone;

Lang hat ihn nicht angewehet
Der unschuldge Odem Gottes.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_171.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)