Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 179.jpg

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Eine Schule angeleget
In des Kreuzgangs hohen Bogen.

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Oft auch hier bei dieser Quelle

Zu mir meine Kinder kommen,
Mannigfaltge Schulgesellen
Sich aus allen Winkeln holend.

Hier der Knabe war der erste,

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Der sich selbst mir angeboten,

Und mit seines Lammes Schelle
Andre Kinder angelocket.

Wie sich meine Schüler nennen,
Weiß ich nur durch ihre Worte,

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Kenne keines einzgen Eltern,

Meine Schul ist frei und offen.

Und die Mütter stehn oft ferne,
Lauschend an der Gartenpforte;
Täglich mehret sich die Herde,

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Und ich lehr um Gottes Lohne.


Und die gute Hirtin nennen[1]
Mich die Kinder, und ich wollte,
Hätt ich nimmer dich gesehen,
Keinen andern Namen borgen.“ –

405
„Hättst du nimmer mich gesehen!“

Jacopone wiederholet;
„Hätt ich nimmer dich gesehen!
O, wie sind dies goldne Worte!

Wären nimmer sie geredet

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Mit so liebem, süßem Tone,

Möchte ich in diesem Leben
Nimmer sehen diese Sonne!

Anmerkungen des Herausgebers

  1. [402] Aus der Bezeichnung „gute Hirtin“, mit welcher die Kinder Rosarosa nennen, macht Michels den Namen Pastorella und setzt ihn in den Text der Romanze als ihm „vollkommen [403] gesichert“ erscheinend ein. Was „gesichert“ heißen soll, bleibt den Handschriften und der „ersten Kladde“ gegenüber rätselhaft. (S. im übrigen Einführung.)
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_179.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)