Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 181.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Unsern Bund ihm vorzulegen.“
Und dann eilt er von dem Bronnen.

445
Einsam Rosarosa stehet,

Blicket in den Strahl des Bronnens;
Wie er sinket, wie er schwebet,
Fühlt sie in dem Herzen pochen.

In den Händen die getrennte,

450
Sonst gepaarte Zwillingsrose,

Und es fließen ihre Tränen
Auf die stille Rosenknospe.

Eilet dann zu der Kapelle,
Findt an der belaubten Pforte

455
Ihre kleine Schülerherde

Feierlich im Kreis geordnet.

Und der Knabe trägt in Händen
Einen Kranz von weißen Rosen,
Einen Schäferstab, weiß blendend,

460
Sprach zu ihr die süßen Worte:


„Du hast dich in der Kapelle,
Hirtin, heut dem Herrn verlobet,
Der ein treuer Hirt, die Herde
Weidet an dem Himmelsbogen.

465
Und darum soll ich dich kränzen

Mit dem Brautkranz weißer Rosen
Und den Schäferstab dir geben,
Daß du denkest deiner Worte!“

Rosarosa kniet zur Erde,

470
Und er kränzt die dunklen Locken

Mit den weißen Rosen blendend,
Gibt den weißen Stab der Holden.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_181.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)