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Stünd geschrieben mir am Herzen
Gar die Stunde meines Todes,

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Nimmer würde sie gelesen,

Und ich stürbe unverhoffet.

Keusch bleibt meines Leibes Tempel
Dem Geliebten nur geopfert,
Meine Blicke haben selber

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Nimmer Teil an mir genommen.


Wenn der Himmel ist bedecket,
Ohne Sterne, Mond und Sonne,
Hab ich hier in dieser Quelle
Einsam kühl das Bad genommen.

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Meines Herren Aug erhellte

Mir das Herz mit Liebeswonnen,
Unter Beten, unter Flehen
Bin ich ihm so lieb geworden.

Und sah ich am Tag die Quelle,

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Die mich nächtlich kühl umschlossen,

Schamrot konnte ich wohl wetten
In der Röte mit den Rosen.

Leb dann wohl, auf Wiedersehen,
Du geliebter Blondgelockter!

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Werde in des Todes Wehen

Rosarosen einst zum Troste!“ –

Und nun höret jemand gehen
Durch den Garten Jacopone,
Und er sucht ihm zu begegnen,

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Irret durch die Laubenbogen.


Ach, in seinem Herzen wehen
Höllenflammen tiefen Zornes,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_186.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)