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Jacopone eine Kerze,
Trägt sie unterm Hut verborgen.

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Da er kehrt zum Rosenzelte,

Da er nah des Bades Bronnen,
Füllt er plötzlich mit der Kerze
Schein die dunkle Blumengrotte.

Rosarose taucht erschrecket

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Schreiend nieder in den Bronnen,

Alle Sinne ihr vergehen,
Als wär sie vom Blitz getroffen.

Und es löschte aus die Kerze
Vom Gespritze. Jacopone,

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Ach, er hat sie nackt gesehen,

Nimmer wird der Anblick frommen!

Und sie weinet, und sie flehet,
Daß er fliehe von dem Orte;
Aber er war tief verblendet,

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Sprach zu ihr die harten Worte:


„Für mich bist du nicht zu sehen,
Aber für den Blondgelockten;
Das, was du trägst unterm Herzen
Soll mir ewig sein verborgen!

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Ihm willst du nicht Treue brechen,

Aber mir ist sie gebrochen;
Aber jetzt sollst du ihn nennen,
Und dann will ich dich durchbohren!

In des frechen Blutes Quelle

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Soll erröten dieser Bronnen,

Sich und dich der Lüge schelten,
Denn hier hast du mich belogen!“

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_189.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)