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Stammelnd ihm entgegnet:
„Herr und Gatte, hör mein Flehen!

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Ehe du mich willst ermorden,

Laß mich an die Kleider legen,

Daß mich nicht errötend sehe
So entblößt der junge Morgen;
Herr, nur aus der Laube trete,

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Ich will rufen dich zum Morde!


Denn ich kann dir nimmer nennen,
Was mir unterm Herzen wohnet,
Da ichs nimmer hab gesehen,
Da es immer bleibt verborgen.

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Herr und Gatte, hör mein Flehen!

Laß mich beten vor dem Tode,
Laß mich nicht so elend sterben
Ohne Sakramentes Troste!“

„Das will ich dir zugestehen!“

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Sprach voll Unwill Jacopone,

„Doch die Kleider dir verstecke
Ich, daß du nicht kommst vom Orte.

Ich will bald zurücke kehren
Mit dem alten Mönch Benone;

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Der den bösen Bund gesehen,

Seh zerhauen auch den Knoten!“

Und mit ihrem Mantel gehet
Schnell von dannen Jacopone.
Hartes Weh ist ihr geschehen,

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Die zurückblieb in den Wogen.


Doch den Herrn um Hilf anflehend,
Ist ihr Herz erstärket worden,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_190.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)