Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 192.jpg

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Dann mit seidenen Gewändern
Ihren züchtgen Leib verborgen,

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Hört dann nahe vor sich reden

Die unendlich süßen Worte:

„Den Bußgürtel um die Lenden
Trage, bis bei deinem Tode
Deine arme Schwester erbet;

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Büß um meine Schuld, o Tochter!


Trage züchtig, die dich decken,
Diese farbgen Seidenstoffe,
Und die Schuld, die sie beflecket,
Helf mir büßen, liebe Tochter!

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Einstens werd ich bei dir stehen;

Zu unendlich süßem Troste
Wirst du deine Mutter sehen;
Jetzo gehe, süße Tochter!“

Und es scheidet Rosarose

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Freudig von der gütgen Toten,

Hängt den Schlüssel an die Stelle,
Da sie hat die Gruft verschlossen.

Und die Lampe brennet helle;
Sie setzt freudig sich zur Orgel,

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Läßt ein Requiem erschwellen,

Recht in freudig vollem Tone.

Als in des Benone Zelle
Eingetreten Jacopone,
Lag der Alte im Gebete

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Und sprach hörbar diese Worte:


„Herr, dein Aug nicht von mir wende,
Wenn ich steh in bösem Zorne!

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_192.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)