Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 193.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Herr, o leite meine Seele
Durch des Sündenmeeres Toben!

805
Herr, laß keinen trostlos sterben,

Ohne heilge Sakramente,
Laß den Sünder nicht verderben,
Ohne Buß vor seinem Ende!“

An der Zelle Türe stehet

810
Dieses hörend Jacopone,

Und von Schrecken ganz erbebet
Pochet er und ruft: „Benone!“

Und, die Tür geöffnet, redet
Ernst der Mönch: „O Jacopone,

815
Gott hat mein Gebet gesegnet,

Daß du bist an diesem Orte!

Doch du hast ein wildes Wesen,
Was willst du mit diesem Dolche?
Deine Haare um dich wehen,

820
Kommst du, mich hier zu ermorden?


Oder hast du Rosarosen,
Deine fromme Braut, erstochen?
Fremde Lieb bei ihr erkennend,
Was der Herr verhüten wolle?

825
Oder hast du gen dich selber

Diesen bösen Stahl erhoben,
Willst in blinder Wut du sterben?
O, du armer Jacopone!

Weh, ich seh Rosarosens

830
Mantel deinem Arm entrollet!

Rede, rede, du Entstellter,
Gibt dem stummen Schrecken Worte!“

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_193.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)