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„Vater, zu dem Garten gehe,“
Spricht nun bebend Jacopone,

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„Wo mein Weib in der Kapelle

Täglich singet zu der Orgel.

Trete zu ihr an die Quelle,
Wo sie badet in dem Bronnen,
Laß sie beichten, laß sie beten,

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Eh sie stirbt von diesem Dolche.


Daß sie nackt die Flucht nicht nehme,
Hab ich ihr Gewand genommen;
Du magst rücklings hin es werfen,
Wenn du zu dem Bronnen kommest.“

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Und der Mönch schließt seine Zelle,

Folgt zum Garten Jacopone.
Da sie an der Brücke stehen,
An des Reno blauen Wogen,

Spricht der Mönch zu dem Gesellen:

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„Wirst du mich nicht hier durchbohren,

Mich dann in den Reno werfen?
Sieh, ich trau nicht deinem Dolche;

Gib ihn mir doch aufzuheben!“
Und es gibt ihn Jacopone,

855
Und sie gehn. Doch unbemerket

Wirft der Mönch ihn in die Wogen.

Vor dem Garten nun begehret
Seinen Dolch der Jacopone:
„Er ruht in des Reno Wellen!“

860
Spricht zu ihm der Mönch Benone.


Und die Arme um ihn legend
Küßt die Stirn er Jacopone,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_194.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)