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Ewig meine Kränze welken,
Von den Tränen nur begossen,

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Stille ewig sterbend leben

Nur die bittren Tränen rollend!

Blumenkränze, Hochzeitskerzen,
Sterne, Mond und hohe Sonne,
Ewgen Schmerzes Tränenquellen

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Und blutweinende Aurore:


Welket, brennet, steht in Schmerzen!
Nimmer lachet Jacopone;
Die die Liebste mir gewesen,
Sie ist schlecht mir vorgekommen!“

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Aber zu dem Mahl einkehret

Nun der alte Mönch Benone,
Ihm zur Seite traurig stehet
Rosarose ohne Locken.

Pietro, vom Geräusch erwecket,

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Springet auf; die Myrtenkrone

Reichet er der neuen Schwester,
Lieb und Treue ihr gelobend.

Dann putzt schnell er rings die Kerzen,
Daß es helle ward. Meliore

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Grüßt sie, reicht ihr die Sonette

Und blickt schüchtern an den Boden.

Aber auf dem Hochzeitsbette
Lieget jammernd Jacopone:
„Die die Liebste mir gewesen,

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Sie ist schlecht mir vorgekommen!“ –


„Nun genug der frevlen Reden!“
Spricht zu ihm der Mönch Benone,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_196.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)