Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 198.jpg

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Und der Jüngling, tief beweget,
Spricht: „O Weib, wo sind die Locken,

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Die ich wollte liebend flechten?

Was soll mir der Kranz voll Dornen?“

Liebvoll Rosarosa redet:
„Ich ließ sie den gütgen Toten,
Die dein nacktes Weib bedecket,

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Das du hast entblößt im Zorne.


Auch den Hochzeitsmantel schwebend,
Den zurück mir gab Benone,
Hab ich ihnen hingegeben,
Ihre Güte zu belohnen.

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Herr, o wolle dich erheben,

Sieh, es kehret schon Aurore,
Wolle mich zu dir aufnehmen,
Züchtig will ich bei dir wohnen!

Eine Magd mich dir bequemen,

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Spinnen dir zur Nacht, zum Morgen,

Für dich beten, für dich sterben;
Herr, entsage deinem Zorne!“

Jetzt erhebt er sich, doch sehen
Kann er nicht, ein Regenbogen

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Schwebt um sie von seinen Tränen

In dem Schein des Morgenrotes.

Und sie trocknet seine Tränen,
Still mit ihres Kranzes Rosen,
Und Benone gibt den Segen,

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Will dann kehren nach dem Kloster.


„Trink des Brautweins einen Becher,
Heilger!“ flehte Jacopone.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_198.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)