Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 204.jpg

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Wie die Flitterkränze schweben,
Und die flimmernden Goldrosen

1135
Zitternd auf der Jungfraun Särgen,

Schien sie in der Glorien Krone

Eine selge Braut der Engel,
Eine Königin der Toten,
Eine hochzeitliche Seele,

1140
Ein gestirnter Geist voll Wonne.


Schier geneigt, sie anzubeten,
Ging bei ihr der Jacopone.
Da sie ins Theater treten,
Ging ein Flüstern durch die Logen.

1145
Nie noch hatte man gesehen

Die Gemahlin Jacopones,
Und nun wie ein höhres Wesen
Stand sie blendend vor dem Volke.

Und in der erstaunten Menge

1150
Hat ein Klatschen sich erhoben,

Bis beschämt im tiefsten Herzen,
Sie den Schleier umgenommen.

Als die liebliche Biondette
Sang ihr Leben vor dem Volke,

1155
War die schöne Rosarose

Tief im Herzen scharf getroffen.

„Daß du mich mit dir zu gehen
Hast bewogen, Jacopone,“
Sprach sie, „dank ich dir ohn Ende.

1160
O, wie ist mir wohl geworden!


Diese Jungfrau anzusehen
Ist mir nie genossne Wonne,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)