Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 205.jpg

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Und ich könnte ruhig sterben,
Spräch sie zu mir süße Worte!

1165
Ach, ich fühle ihrem Wesen

Meine Seele tief verwoben,
O, ich werde nie genesen,
Steht sie mir nicht bei im Tode!“

Und sie war so tief beweget,

1170
Da die Jungfrau ihre Rollen

Wiederholt als Judith, Jephthe,
Daß sie nachsprach alle Worte.

Aber als sich um Biondetten
Hat die wilde Glut erhoben,

1175
Hat sie, nicht um sie, um jene

Nur, das Hilfsgeschrei erhoben.

Und es brachte sie zu retten
Mit Gewalt nun Jacopone
Hin zu einem hohen Fenster,

1180
Da ersah sie Meliore.


Keine Leiter ruht am Fenster,
Rings schon alles um sie lodert,
Und sie sprang, sich Gott befehlend,
Nieder in den Arm Meliores.

1185
Glücklich nieder zu der Erde

Folgt ihr springend Jacopone,
Doch er findet sie mit Schrecken
Blaß und schon ihr Aug geschlossen.

Und rings unter ihrem Herzen

1190
Blutge Tropfen niederflossen,

Doch sie sprach: „Mein Herr, ich lebe
Annoch durch die Hilfe Gottes!“

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_205.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)